Joana Mallwitz – Momentum (DOK.fest München 2024)

Die Dirigentin, der die Orchester vertrauen –
Konfiserie-Kino

Joana Mallwitz weiß sehr wohl, was an Abgründigkeiten möglich ist im Orchester-Business, dass ein Orchester einen Dirigenten auflaufen lassen kann, wenn es will, aber keine Bange, der Film von Günter Atteln über die wunderbare Dirigentin suhlt sich nicht in kulturellem Abgrund-Tourismus wie der Spielfilm Tar mit Cate Blanchett.

Joana Mallwitz weiß auch, dass es in ihrem Job auf Vertrauen ankommt und auf Teamwork und sie versteht es, durch ihre unbedingte Hingabe an das Werk, dieses Vertrauen zu gewinnen.

Wie sehr sie auf die Musik und nicht auf das Drumherum fixiert ist, zeigen verschiedene Szenen.

Den bayerischen Ministerpräsidenten grüßt sie zwar kurz, lässt ihn aber gleich wieder stehen, hat nicht mal Zeit auch nur für einen Small-Talk-Satz, weil sie sich konzentrieren muss auf das bevorstehende Dirigat.

Die Einladung ins Schloss Bellvue für eine Ehrung kann sie nicht annehmen, weil sie Generalprobe woanders hat und wegen der Unzuverlässigkeit der Bundesbahn diese Reise nicht riskieren kann; sie kann ihre Musiker nicht hängen lassen.

Richtig lustig kommt die Szene rüber mit dieser Frau, die von sich selber sagt, dass sie keine Witze mache, wie ihr Igor Levitt von den „Riders“ erzählt, das sind Listen mit Wünschen, die die Künstler abgeben können, welche Annehmlichkeiten sie in der Garderobe vorfinden wollen; welche Teesorte genau und wie kalt welche Trauben zu sein hätten; da fällt sie echt aus allen Wolken.

So ist auch verständlich, dass sie die chronischen Fragen nerven, wie sich das anfühle, als einzige Dirigentin in Berlin zu arbeiten oder wie sie Job und Familie mit Kind vereinbare. Teamwork ist ihre einzige, fast verlegene Antwort. Und dass sie die feministische Frage irritiert, dass sie sie gar nicht versteht, tut sie auch kund. Sie mache nur ihren Job und das sei genügend Arbeit.

Der Film ist eine generöse Hommage an die ungewöhnliche Musikerin und gut bestückt mit Musikausschnitten aus Konzerten und Opernaufführungen und mit einem Mahlerfinale, mit dem sie Berlin im Sturm erobert und enthusiasmiert.

Bei all dem zunehmendem Stress dieser Karriere finden sich immer wieder Momente, wo sie über sich, die Musik, ihren Weg sympathisch erzählen kann oder wo der Dokumentarist in ihr Familienleben hineingucken darf genauso wie bei Proben und hinter die Kulissen bei Auftritten. Schade findet sie, dass sie keine Zeit für Vor- und Nachfreude nach Konzerten habe.

Sympathisch macht sie auch, wie vorbehaltlos sie die Arbeit der Komponisten bewundert, wie sie einmal vor einer komplexen Partitur sitzt und versucht, den Komponierprozess nachzuvollziehen; wo doch schon das Dirigieren kompliziert genug sei.

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