Pop-Up-Rohmer 2.0
War Éric Rohmer der Meister in der Vertiefung in Dreiecke, verkürzt gesagt, welcher Deckel passt zu welchem Topf, so sattelt Luca Guadagnino (Call me by Your Name) nach dem Drehbuch von Justin Kuritzkes noch eins drauf, indem er sein Dreiecksverhältnis im gnadenlosen Tennissport ansiedelt, indem er zwei Männer um eine Frau spielen lässt.
Den Kampfcharakter verstärkt Guadagnino mit aufwühlend heftig schlagender Musik, Übersteigern des Effektes des Zertrümmerns von Tennisschlägern und dem Einsatz von theatralen Mitteln wie heftigem Sturm und schafft so einen Hammerfilm mit einem Aufschlag wie Donnerhall und einem Röntgenblick auf diese sonderbare Sportart.
Die Erzählung rankt sich um ein Match im New Rochelle Turnier im August 2019. Der Sieger wird an einem größeren Turnier teilnehmen können.
Es spielt Art Donaldson (Mike Faist) gegen Patrick Zweig (Josh O‘ Connor). Im Publikum sitzt eine Dame, die nicht wie alle Zuschauer ständig den Kopf den Bällen hinterherwendet, sondern irgendwie grade aus schaut – oder in sich hinein. Es ist die Dame mit der besonderen Bewandtnis, es ist Tashi Donaldson (Zendaya).
Der Kinozuschauer kennt ihren Namen und die damit verbundene Beziehung zu Art Donaldson noch nicht. Was genau das Verhältnis dieser drei Personen zueinander ist, das erzählt der Film in Rückblenden, die bis 13 Jahre zurückgehen und den besonderen Thrill des zentralen Matches verdeutlichen. Da steckt mehr dahinter, als dass nur einer als Sieger vom Platz geht.
So viel allerdings weiß der Zuschauer zu Beginn des Matches, dass Donaldson ein erfolgreicher Tennisprofi ist. Dass er mit Tashi verheiratet ist, die gleichzeitig sein Coach ist und dass sie zusammen ein Kind haben; dass sie ein luxuriöses Leben führen, in dem auch die Mutter von Tashi (Nada Despotovich) Platz hat. Allerdings ist Art in einem Form- und Motivationstief und spielt deshalb mit einer Wild Card in New Rochelle.
Patrick wird dagegen als Looser vorgestellt. Er kommt abgerissen daher, seine Kreditkarte gibt nichts mehr her, es reicht nicht mal für eine drittklassige Absteige, er muss im Auto übernachten. Er bettelt um einen Vorschuss, da ja die Teilnahme bereits 400 Dollar bringe.
Der Film schaut wieder zurück, Achtung Spoiler, und erzählt von der früheren Freundschaft von Art und Patrick, wie sie als talentierte Tennisteens starten, wie sie gemeinsam pubertieren, wie sie gleichzeitig sich in Tashi verliebten, die eine hochbegabte Junior-Tennisspielerin ist. Sie wiederum ist sich nicht sicher, ob die beiden nicht ein Verhältnis haben, das berichtet eine umwerfende Szene der drei Youngsters.
Hinter dieser Erzählung und den immer wieder blendend fotografierten Jungmännerkörpern steckt die Frage nach dem Verhältnis von Tennissport und Homosexualität. Es dürfte sich um ein Nicht-Verhältnis handeln. Der Tennissport als eine der letzten reinen Heteroveranstaltungen.
Die Kamera lässt sich viel einfallen zu den unvermeidlichen Matchszenen, oft fliegen Bälle fast direkt ins Auge des Betrachters oder die Kamera tut so, als ob ihr schwindlig wird ob dem, was sich vor ihrer Linse abspielt. Überhaupt scheint es ihr Spaß zu machen, im Tenniszirkus unterwegs zu sein.
Luca Guadagnino hat für die Protagonistenrollen fantastische Schauspieler ausgewählt, denen es spielend gelingt, den Spagat zwischen Junior im Teenalter und dem gestandenen Profi über ein Dutzend Jahre später zu bewältigen.