Morgen ist auch noch ein Tag

Sprechen können, ohne den Mund zu öffnen

Irgendwann nervt es fast, dass Delia (Paola Cortellesi) den Mund nicht aufmacht. Gemeint ist der übertragene, der erweiterte Sinn, sich für seine Belange einzusetzen, sich zu wehren, sich nicht alles bieten zu lassen.

Es ist die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in Rom. Die Amis sind Besatzungsmacht. Delia lebt mit ihrem ruppigen, gewalttätigen Mann Ivano (Valerio Mastrandrea) und den drei Kindern in einer ärmliche Kellerwohnung. Ivano übt eine brutale Herrschaft über seine Familie, vor allem über Delia aus. Sie arbeitet in verschiedenen Jobs. Sie setzt bettlägrigen Herrschaften Injektionen, sie arbeitet als Wäscherin, sie jobbt in einem Schirmladen und ihre Familie versorgt sie auch noch.

Immerhin ist Delia so schlau, sich ein Teil der mühsam verdienten Lira vor ihrem Mann zu verheimlich und zu verstecken. Geld ist ein Stück Macht. Das Thema, was schwer über dem Film schwebt, ist die Frage, ob sie es schafft, sich zu wehren, sich zum emanzipieren, sich von ihrem Brutalo-Mann loszureißen. Die Frage diskutiert sie auch mit anderen Frauen.

Das Thema wird aktuell, wie sie dem Jugendfreund Nino (Vinicio Marchioni) begegnet. Der war schon immer verliebt in sie – sicher: bewährte Filmstory-Konstellation. Ergibt sich hier vielleicht eine Chance? Er will in den Norden Italiens ziehen, weil es dort leichter ist, Arbeit zu finden.

Das Thema der richtigen Liebe wird auch akut, wie Tochter Marcella (Romana Magiora Vergano) mit Giulio (Francesco Centorame) aus besseren Verhältnissen auf ihrem Liebesradar auftaucht. Eine Ehe wäre wirtschaftlich opportun.

Paola Cortellesi, die mit Furio Andreotti und Giulia Calenda auch das Drehbuh geschrieben hat, inszeniert diese, hm, fast wäre man versucht Farce oder Satire zu sagen, als ob sie diese Geschichte liebevoll, mit enormem Fleiss und so perfekt wie möglich in ihrer eigenen Puppenstube arrangieren möchte.

Für die Satire-Ecke spricht auch, dass die Regisseurin mehr als einmal Lieder wie Bänkelsongs über Szenen legt, die das Thema behandeln. Satirischen Input verrät auch die Szene sehr spät im Film, wenn sich die Damen aus einem bestimmten Grund den Lippenstift wegputzen sollen.

Auch die Schlagseite Klamotte lässt die Regisseurin zu, es gefällt ihr, den Tod des Schwiegervaters von Delia, von Ottorino (Giorgio Colangeli) auf diese Art zu behandeln mit der gewissen Italianitá, die sich in ungezügeltem Trauerexpressionismus niederschlägt.

Der Film wirkt wie hochkonzentriertes Kunstgewerbe, als eine Bebilderung, als eine Illustration zum Grundthema der Frauenrechte und erst ganz am Schluss, auch das passt in die Schublade Satire, wird der Film verraten, was genau der Anlass war, ihn zu drehen.

Als Beruf von Ivan wird Grabräuber angegeben. Schon der zweit italienische Film in kurzer Zeit, den dieses Sujet kitzelt nach „La Chimera“ von Alice Rohrwacher – der kommt nächste Woche ins Kino.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert