Bigotterie, Feminismus und Verbalinjurien
Dieser britische Film von Thea Sharrock nach dem Buch von Jonny Sweet amüsiert sich, ähnlich wie bei uns einsten Moral von Ludwig Thoma, über die Bigotterie von Kleinbürgern in Littlehampton in Sussex, England.
Selbstverständlich sind Bigotterie als auch Moral übertragbar auf ähnliche Milieus überall auf der Welt.
Edith Swan (Olivia Colman) ist eine rechtschaffene, christliche Jungfrau mittleren Alters, die noch bei ihren Eltern, Vater Edward (Timothy Spall) und Mutter in einem Reihenhaus in dem kleinen Ort am Meer wohnt. Mit der im Nachbahaus neu zugezogenenen Irin Rose Godding (Jessie Buckley) freundet sie sich erst an, bis ihr schließlich deren lockerer Lebenswandel auf die Nerven geht. Rose wohnt da mit ihrer Tochter und einem Freund. Ab dem Zeitpunkt erhält Edith ständig Briefe, die sie auf das unanständigste beschimpfen.
Der Verdacht fällt sofort auf die losmäulige Rose und ist so stark, dass er selbst bei der Polizei einer Vorverurteilung gleich kommt. Einzig Police Officer Gladys Moss, die selber jedes Mal betont, sie sei die „weibliche“ Polizeibeamtin Moss, hiermit den Daumen auf die unterentwickelte Gleichberechtigung von Mann und Frau legend, der Film spielt zur Zeit der Suffragetten, traut als einzige der Sache nicht.
Nach etwa einer Stunde und Involvierung auch der Presse sowie etlicher Nachbarinnen von den „christlichen Ehefrauen“ wird der Zuschauer über den wahren Täter aufgeklärt und darf die nächste dreiviertel Stunde genussvoll mitverfolgen, wie die dramatis personae die Geschichte, die wahrer sei als man glauben wolle, wie es eingangs heißt, von den Filmemachern mit feinstem und weniger feinem (die Verbalinjurien!) Humor über eine kleine Detektivstory und eine Gerichtsverhandlung aufgedröselt und zu einem befriedigenden Ende gebracht wird.
Die Frage muss allerdings erlaubt sein, ob unsere Zeit nicht dringlichdere Probleme hat als das Thema der Bigotterie, auch wenn es mit einem Hauch weiblicher Emanzipationsgeschichte durchlüftet wird.