The Zone of Interest

Gehobener Lebensstandard im Dritten Reich
oder
Die Königin von Auschwitz,

so wird Sandra Hüller als Hedwig, die Frau des Lagerkommandanten Höss, von ihrem Mann, Christian Friedel, genannt wird. Sie hat sich wunderbar eingerichtet in der Villa, die direkt an das Vernichtungslager angrenzt, mit riesigem Garten, Gewächshäusern, vieles nach ihren Vorschlägen, natürlich hat man Gärtner.

Der Film von Jonathan Glazer, der mit Martin Amis auch das Drehbuch geschrieben hat, schildert ausgiebig, so hochmoralisch wie hochkünstlerisch, das Leben der Familie Höss. Es ist ein Film, der wie durch ein lebendiges Museum führt. Den musealen Eindruck verstärken noch die exzellenten Beiträge von Gewerken wie Ausstattung, Kostüm, vor allem aber die Kamera, die meist versucht, einen Gesamteindruck der Räume mit ungewöhnlichem Objektiv zu erwecken.

Eine Story in im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Es sind Szenen, wie sie den Alltag der Familie prägen. Besuch von Verwandten, Kinder müssen zur Schule, Stiefel müssen vom Blut, das an ihnen klebt gereinigt werden, Wäsche wird aufgehängt, einem Gast das Gastzimmer gezeigt, der Garten bewundert oder inspiziert, Papa muss zur Arbeit hoch zu Pferd, Papa telefoniert oder diktiert über das Telefon, Papa empfängt Offiziere vor seinem Haus; aus Gebrauchtkleidung können Stücke ausgewählt werden.

Es gibt später im Film das Problem der Beförderung von Papa und dass er wegziehen soll, während seine Frau in ihrem Paradiese bleiben möchte.

Ganz neckisch ist der Eindruck den die Ehe des Paares erweckt. Wohl selten in einem Film wird eine Ehe, die längst von der Liebe sich entfernt hat, die aber ihren Zweck allerseits erfüllt, so spröde und doch auch fast knuffelig geschildert, so fast ohne Konflikte, ohne Liebesbezeugungen, jeder funktioniert, wie die Gemeinschaft es erfordert und Papa hat seinen Seitensprung – alles so unaufgeregt, und irgendwie eben auch wie in einem Museum. Insofern ist nicht ganz klar, ob in dieser ganz ungewöhnlichen Ehedarstellung, es wirklich so gewollt ist, oder ob das eher ein zufälliges, direkt sensationelles, Nebenprodukt der Museumsidee ist; wozu Sandra Hüller mit ihrer von Natur aus knorrigen Eigenwilligkeit zusätzlich beiträgt.

Das Moralische am Film wird vor allem durch die Tonkulisse erzeugt, die immer wieder an das KZ nebenan erinnert, manchmal auch mit Randblicken auf das Lager, rauchende Krematoriumstürme.

Das Moralische im Film wird auch durch cineastische Kniffe hervorgehoben, das fängt mit den sehr abstrakten Titeln und dem Sound darunter an, mit dem langsamen Verschwinden des Titels, dem langen Schwarzbild mit modernem Sound.

Idyllen werden geschildert aus ferner Perspektive, ein Familienausflug ins Grüne an einen See. Hier ist das KZ noch in weiter Ferne. Oder mit einem Intermezzo in verfremdetem Schwarz-Weiß zu einer Märchenerzählung. Mit einem auf einem Tasteninstrument begleiteten Lied, dessen Text in Gelb als Untertitel erscheint.

Der Film wirkt wir eine hochkünstlerische Bebilderung des Hannah-Arendt–Satzes von der Banalität des Bösen. Ein Kabinettstückchen fürs Raritätenkabinett. In der Nähe der Kupferstecherkunst anzusiedeln.

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