Die sprengende Dimension von Liebe
Klar, was ist Liebe? Das ist Anbandeln, Flirten, Kuscheln, Ficken, sich Dinge erzählen – so wird Liebe meist realistisch auch dargestellt, in Filmen, in Büchern.
Auch im Buch des japanischen Autors Taichi Yamada, nach welchem Andrew Haigh die Liebe von Drehbuchautor Adam (Andrew Scott) und Harry (Paul Mescal) beschreibt. Zwei Männer, die als einzige in verschiedenen Appartments in einem schicken Wohnhochhaus in London wohnen, bandeln an, schnell fragt der eine den anderen, er sei doch queer und dieser, Adam, lächelt ein verlegen-naives, bejahendes Lächeln.
Es ist eine wunderbare, queere Rom-Com, die der Film zu erzählen anfängt. Allerdings sind von Anfang an ein paar Dinge dezidiert, sagen wir, unrealistisch.
Schon, dass die beiden die einzigen Bewohner sind, dass Harry immer einen Alarm auslöst, dass Adam immer dann aus dem Haus geht und die Fassade hochschaut, bis er Harry entdeckt; was dieser zum Anlass nimmt, mit einer Pulle Schnaps in der Hand bei Adam zu klingeln.
Entgegen der realistischen Erfahrung zeigen beide unmittelbar hohe Emotionalität. Aber auch wie Andrew Haigh die einzelnen Bilder nicht nur in Szene setzt, sondern gegen den Realismus einzelne Gegenstände beleuchtend hervorhebt, andere im Dunkeln verschwinden lässt, zeigt, dass es um mehr geht als lediglich um eine Lovestory unter Männern; dass Haigh die sprengende Dimension von Liebe vorschwebt, die Einsamkeit sprengende Dimension; mit dem Verweis auf den Titel, dass wir alle Fremde seien.
Was aber nicht eine Sekunde abgedroschen und plakativ rüberkommt. Zu diesem Eindruck trägt auch die Art der Verwendung der Rückblendentechnik bei, die sich dadurch unterscheidet, dass sie einem Erinnern, einem verändernden Erinnern gleichkommt.
Da ist der Besuch von Adam bei seinen Eltern; ziemlich verfremdet; sind sie beide doch längst schon tot, bei einem Autounfall umgekommen. Was wiederum die Einsamkeit des schwulen Jungen befördert, der für sein Anderssein an der Schule gemobbt wird.
Wie der Autor die Begegnung mit seinen Eltern, mit ihm als erwachsenem geoutetem Mann, in Szene setzt, das trägt in seinem distanzierenden Effekt dazu bei, diese Dimension von Liebe weit über das Storytelling einer Romantic Comedy hinaus sichtbar zu machen.
Dieser Eindruck verfestigt sich zusehends in einer dramatischen Strangulierung des Realistischen und der verstärkten Betonung dessen, was der Autor an literarischer als gleichzeitiger Trauerarbeit leistet – vielleicht geht es ja einzig und allein um eine solche. Und wie sehr die Beziehung ihn aus seiner Einsamkeit herausgerissen hat; so schwer das auch fassbar sein mag.