The Green Border – Zielona Granica

Mit der Moralkeule
Film zum Thema der europäischen Grenzpolitik

Dieser Film der hochgerühmten Agnieszka Holland, die mit Maciej Pisuk und Gabriela Lazarkiewicz auch das Drehbuch geschrieben hat, wirkt als ob sie eine Kugelwerferin sei, die sich mit der Kugel mehrfach vor dem Abwurf dreht, um Drehmoment zu gewinnen und diese dann mit Urwucht als enormen moralischen Wumms auf die Leinwand schleudert, so dass dieser sofort die Farbe vergeht.

So fängt Agnieszka Holland den Film an; die Drohnenkamera fliegt über grüne Wälder, diese von der Farbe ganz schnell zu Schwarz-Weiß wechseln. Die Drohne fliegt über das Grenzgebiet von Belarus und Polen.

Vorher wechselt das Interesse des Filmes in einen Linien-, vielleicht auch Charterflug, wer weiß, der Turkish Airlines nach Minsk. Das ist spannend, weil es die Neugier weckt, was es mit den Passagieren, die im Fokus der Kamera sind, auf sich hat.

Das wird bald geklärt, denn eine Gruppe von Flüchtlingen aus Syrien soll mit einem Kleinbus abgeholt und zu einem Übergang an der grünen Grenze zu Polen gebracht werden. Ihnen schließt sich eine Frau aus Afghanistan an.

Das kann selbstverständlich nicht problemlos ablaufen, denn, so viel war im Vorfeld zu erfahren, der Film ist über zweieinhalb Stunden lang. Prompt gerät die Gruppe in den schauderhaften Mechanismus der illegalen Pushbacks; die Grenzwacht von Polen schickt aufgegriffene Flüchtling brutal zurück nach Belarus, wirft gar Leichen über den Stacheldrahtzaun und umgekehrt.

Menschen im Elend. Menschen, die von Soldaten und Polizisten grausam behandelt und ausgebeutet werden, erpresst, 50 Euro für eine Flasche Wasser, Handys zertrampelt, nicht behandelte Verletzungen, Hunde.

Lange schildert und ausführlich Agnieszka Holland dieses Elend. Man denkt an Godard, was der über das Schlachten eine Huhnes und das Kino gesagt hat. Man wundert sich auch, welche enormen Glaubwürdigkeitslücken die Handlung hinterlässt, wie das Spiel der Darsteller oft krud ist.

Kurz, es ist enttäuschendes Kino bis zum vierten Kapitel, das mit Julia überschrieben ist. Julia (Maja Ostaszewska) ist eine Psychologin, die ihr Haus in der Nähe zur Grenze zu Belarus hat, ganz nah am verbotenen Grenzbereich. Sie macht psychologische Beratungen – auch über Internet.

Einer ihrer Klienten ist Bogdan (Maciej Stuhr), ein offenbar vermögender und elegant wohnender Geschäftsmann. Dieser wird später in der Geschichte eine überraschende Rolle spielen. Mit Julia fängt man plötzlich an, sich für die Geschichte zu interessieren. Denn sie hat eine Basis, einen Alltag, in den das Flüchtlingsproblem hineindringt und das sie vor riskante Entscheidungen stellt.

Hier wird der Film mehr als nur Schilderung von Grausamkeit und Elend von Menschen, über deren Hintergrund man fast gar nichts weiß, allenfalls über deren Motivation: Flucht vor Krieg oder den Taliban. Man könnte auch Tiere, die durch eine Arena gehetzt, werden filmen.

Am Schluss schleudert Agnieska Holland nochmal die moralische Keule volle Pulle auf die Leinwand mit Statistiken über Flüchtlinge und Tod an den Außengrenzen der EU. Mit dem Film will sie ein mahnendes Manifest erstellen für die politischen Entscheidungsträger in Brüssel. Davor noch schnell einen Hip-Hop-Song über tausend Mal sterben reingehauen.

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