Diese abgrundtiefe Angst der Geschlechter voreinander
Der Film von Susanna Fogel nach dem Drehbuch von Michelle Ashford nach einer Kurzgeschichte von Kristen Roupenian fängt mit einem Zitat von Margaret Atwood an. Dieses soll hier nicht weiter gespoilert werden, bezieht sich aber darauf, was Männer von Frauen befürchten und was Frauen von Männern befürchten, ein Zitat, das auf Urängste zielt.
In bester US-Ostküstenfilmmanier entwickeln daraus die Filmemacherinnen ein apartes Spiel, das um ein Kino zentriert ist, das gerne Horror-Filme zeigt, die sich selbst wiederum aus menschlichen Urängsten nähren.
Margot (Emilia Jones) arbeitet im Nebenjob an der Theke jenes Kinos. Im Hauptberuf hat sie einen Knochenjob insofern, als sie als Wissenschaftlerin arbeitet an einem Institut, das von Dr. Enid Zabala (Isabella Rossellini) geleitet wird, und tausende von Jahre alte menschliche Knochen untersucht.
Hobby der Leiterin ist seit 17 Jahren eine Ameisenkolonie in einem voluminösen, gläsernen Terrarium. Anhand der Ameisen lassen sich mörderische Vorgänge der Geschlechtsbeziehungen bestens erklären.
An solchen Zusammenhängen fehlt es auch bei den Filmen im Kino nicht. Vorsicht also vor schnell heiß laufenden Fantasien.
Ein merkwürdiger Kinobesucher, Robert (Nicholas Braun), weckt das Interesse von Margot, schon allein durch die ungewöhnliche Bestellung von Popcorn und Red Vines. Sie thematisiert das, dass sie die Kombination noch nie verkauft habe.
Zwischen Margot und Robert entwickelt sich nun eine Beziehung, die einerseits von Sehnsucht, andererseits von abgrundtiefem Misstrauen geprägt ist.
Die meisten Äußerungen eines Menschen sind zweitdeutig interpretiertbar und das Casting hat speziell mit Nicholas Braun als Robert einen Schauspieler besetzt, in dessen Gesicht hinein die ganze Bandbreite zwischen menschenfreundlich und abgrundtief verbrecherisch interpretiert werden kann.
Die Hintergründe beider Figuren werden beleuchtet durch Roberts Besuche bei seinem Psychiater und die Gespräche von Margot mit ihrer Freundin Taylor (Geraldine Viswanathan), die eine Art Bloggerin ist. Höchste Gefühle können hier als sowohl höchste Zuneigung wie auch höchste Skepsis bedeuten. In solchen Zuständen neigt der Mensch, das zeigt dieser wunderschöne Film, gerne zu hysterischen Fehlinterpretationen. Das kann – und wird es auch – dramatische Entwicklungen in Gang setzen, die im günstigen Fall in einer Katharsis enden – oder auch im Verschwinden einer Figur von der Bildfläche.