Herdentrieb
ist eine Eigenschaft, wofür Schafe prototypisch stehen. Daraus leiten sich positive wie negative Folgen ab.
Wenn die Herde für den Sommer auf die Alpweiden getrieben werden sollen, so geht das wie von selbst, denn die älteren Tiere wissen, dass sie dort exquisite Kräuter erwarten und die ziehen die anderen Tiere mit.
Wenn aber ein Schaf auf der Alp in Richtung Geröllhalde ausbüxt, so zieht es andere mit in die Gefahr. Daraus entstehen dramatische Momente in diesem Film von Klaus-Peter Hütt und Walter Steffen, wenn die jüngeren Schäfer den entlaufenen Tieren nachsteigen. Das erfordert Fingerspitzengefühl, um die Tiere nicht in noch höhere, noch steinigere Felsregionen zu treiben, sondern sie mit Salz zu locken.
Der Film ist gedacht als als eine Selbstdarstellung und Porträt der Forst- und Weidegenossenschaft Mittenwald. Hier sind Schäfer zusammengeschlossen, die im Nebenerwerb Schafhaltung betreiben. Für den Sommer bilden sie zusammen eine große Herde.
Das schildert der Film, wie die Herde zusammengestellt wird, wie alle Tiere registriert werden müssen, Gesundheitscheck, Zusammenwachsen der Herde auf der Vorweide, Auftrieb auf die Sommerweide, die Hauptweide. Dies ergibt traumhafte Bilder von blühenden Wiesen, grasenden Schafen, Lämmern, dem Schäfer und seinem Hund und im Hintergrund immer der mächtige Karwendel.
Den Porträtauftrag versteht der Film auch so, dass einige der Schäfer direkt vor die Kamera positioniert werden und über das Schäfertum, die jahrhundertealte Tradition, die Pflege der Alpwiesen durch die Schafe, die Beziehung zu den Schafen erzählen und wie der Job generell von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Das sieht man beim Abtrieb der Schafe, zu dem die meisten Schäfer mit ihren Kindern kommen, auch um die eigenen Tiere wieder in Empfang zu nehmen. Kleine Buben, die schon mit Schäferhut, Rucksack und Stock mit dafür sorgen, dass die Herde keine krummen Wege geht.
Der Wermutstropfen in der gewachsenen Struktur und auch der Begeisterung der Schäfer für ihre Aufgabe bildet aktuell die Bedrohung durch Beutegreifer wie Wolf und Bär, denn die Schafe gelten auf der Rehbergalm, die ein enormes Ausmaß über mehrere hundert Höhenmeter hat, als nicht zu sichern.
Der Machtkampf ist der, Schutz des Wolfes, das bedeutet, dass die Schafhaltung im Sommer auf den Alpweiden nicht mehr zu schaffen ist, was eine Verwilderung der Almen bedeuten würde und ein Ende der alpinen Schafhaltung. Über diesen Machtkampf ist zur Zeit fast täglich in den Medien zu lesen; insofern ist dieser Film auch ein Beitrag zur aktuellen Diskussion – mit einer klaren Position. Als angenehmen Sprecher haben die Dokumentaristen Thomas Darchinger engagiert.