Die einfachen Dinge

Konterkarierte Erwartungen

Mit den PR-Bildern erweckt der Film von Éric Besnard (Birnenkuchen mit Lavendel) den Eindruck einer vorhersehbaren Freundschaft zwischen einem knurrigen Typen, der sich ins Gebirge zurückgezogen hat, der Meeresbiologe Pierre (Grégory Gadebois), und dem gestressen internationalen Manager Vincent (Lambert Wilson), der immer am Rande von Panikattacken steht und dann, so kann vermutet werden, in den unfreundlich wirkenden Bergen mit den idyllischen Hütten vom Bergler das einfache Leben kennenlernt.

So führt Besnard die Geschichte auch ein. Auf seinem Motorrad braust Pierre das steile, kurvige Sträßchen zu seiner hoch gelegenen Behausung hinauf. Er fährt an einem Autofahrer mit schickem Sportwagen vorbei, der augenscheinlich eine Panne hat, die Kühlerhaube offen.

Pierre wird gleich als nicht leicht zugänglich charakterisiert, indem er erst mal den Hilfsbedürftigen stehen lässt. Gut getimt hört man dann aber das Geräusch des Motorrades wieder sich nähern. Gesprächig gibt sich Pierre nicht. Er nimmt den Pannenmenschen, nachdem er den Schaden am Auto nicht beheben kann, mit zu sich hinauf.

Grotesk ist, dass er einen Hund hat, den er ‚Hund‘ nennt und dessen wahre Bestimmung, wie später zu erfahren ist, das Leben in einem Pariser Salon gewesen wäre. Vielleicht ein Symbol für den menschlichen Hund, der hier anlandet und nach einer Nacht im asketischen „Gästezimmer“ (eine Holzhütte mit Matratze, Öllampe und einer Wolldecke) wieder ins Tal gebracht werden will.

Da wird die Erwartung, dass sich zwischen diesen beiden verschiedenen Männern ein Verständnis, ein Zutrauen und eine Freundschaft über die wahren Werte des Lebens aufbaut, erst mal konterkariert.

Vincent muss zurück in sein Managerleben, heute Tel Aviv, morgen London, Firmenkauf da und Firmenverkauf dort. Er hat den Einstieg ins Big Business in seiner Garage angefangen mit dem Aufbau einer Dating Platform, Fast Match.

Selbstverständlich erfindet der Regisseur und Autor, der Filmauteur, einen Grund, Vincent wieder auf die bescheidene Alm zurückzubringen. Denn auch bei Pierre gibt es einiges zu entdecken. Und ganz so allein, wie es ausschaut, ist er überhaupt nicht.

Ein kleines, süßes Mädchen besucht ihn, Zoe (Bettty Perucci Berthoud). Dieses hat eine Mutter, Camille (Marie Gillain), die steht in den Credits ganz oben; also dürfte auch sie in das Konstrukt, das Konstrukt, das uns ständig bei der Stange hält, eingebaut sein und eine Rolle spielen, die weit über das Glück des Eremiten hinausgeht.

Wir sehen hier Zivilisationsflüchtlinge, die so radikale Flüchtlinge gar nicht sind, die durchaus Bestandteile unserer überschnappenden Industriegesellschaft sind und die sich allenfalls einen Freiraum suchen, einer Gesellschaft, die das Plankton bis in die tiefsten Berge hinein verfolgt. Die Natur aber hat auch ihre Waffen, sie kann einen Bären schicken.

Es gibt sogar Forscher-Parallelen in der Wirklichkeit: Jim Allison, der auf seine Art ein uriges Leben in der texanischen Provinz führt und allerdings nicht der Fliegenfischerei, sondern der Folksmusik frönt.

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