Bemühter Ritt auf dem Toleranzpferd/Toleranzpfad
Extrem bemühter Polizeiruf, der praktisch in jedem Satz das Gender- und Toleranzthema diskutieren will.
Typisch deutscher Themenfilm in Reinkultur und unter den öffentlich-rechtlichen Redaktionsauspizien von Claudia Simionsecu und Tobias Schulze, die dem Zuschauer das Thema fett und in Druckbuchstaben und x-fach durch die Theorieheißmangel gedreht aufoktroyieren wollen.
So werden die Schauspieler zu Thesenträgern reduziert unter Auslassung der Individualität, die letztlich demokratiekonstitutierend ist.
Es ist vielleicht ein akademisches Vergnügen, wie der Fernsehfilm von Dror Zahavi nach dem Drehbuch von Stefan Weigl Gender- und Toleranzauswüchse im akademischen Betrieb, speziell in einem Institut for postcolonial Studies, auf die Schippe zu nehmen versucht, falls es wirklich so krass ist. Aber das ist eine alte Weisheit, dass die Toleranzgurus und die Toleranzapologeten oft selber eine große Schwäche in der Tolerierung anderer Meinungen haben. Das ist grundsätzlich sicher richtig beobachtet.
Aber Film sollte auch von der Beobachtung der Menschen ausgehen und mehr hervorbringen als Thesen von sich gebende Textreproduzenten auf den Schauspielerpositionen.
Die Paarung Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Otto Ikwuakwu (Bless Amada), die hat Charme und Spannung; diese wird aber zu schnell rausgenommen durch die Auflösung des privaten Verhältnisses von Otto. Das könnte man langfristig anlegen, wie damals bei Edel & Starck. Oder es könnte auch in die Richtung gehen wie bei Passages.
Grundsätzlich liegt in der Charakterisierungsanlage der beiden Protagonisten künftig viel Kurzweil drin, der Mann in der Untergebenenposition, der auf Korrektheit setzt, um ja keinem versteckten Rassismus Nahrung zu geben, und die Frau, die mit einer gewissen Leichtigkeit und nicht leicht vor den Kopf zu stoßen durch das Leben geht. Wobei im Moment nicht sicher ist, ob diese Leichtigkeit, die so leicht auch Sympathie gewinnt, erst mal dadurch ensteht, dass die Schauspielerin Johanna Wokalek so eine Fernsehrolle richtigerweise für Kinderkram hält, den man mit Links und Spaß runterjuxt, ohne sich geistig zu verbiegen oder nach Tiefgründigkeit zu suchen oder auch gleich die Rolle zu verraten, nach doch vielen anspruchsvollen Rollen auf der Bühne und beim Film.
Johanna Wokalek scheint dieser Art Kulturproduktion den richtigen Stellenwert beizumessen, was nicht die dümmste Haltung ist. Da müssen die um sie herum schauen, wie sie mithalten können. Bisher scheint einzig Bless Amada einen plausiblen Lösungsansatz gefunden zu haben. Mit diesen zwei Protagonisten-Besetzungen hat der Polizeiruf deutlich gewonnen. Wenn das jetzt auch noch die Redakteure, Drehbuchautoren, Regisseure und Mitspieler verinnerlichen, dann könnte man sich auf Fortsetzungen gewiss freuen. Rein theoretisch gehört es zum Potential von Serien, dass Figurenkonstellationen entwicklungsfähig sind.