Faszination trans-Aktivist
Während der Drehbarbeiten zu diesem Film von trans-Aktivist Paul B. Preciado ist Jean-Luc Godard verstorben; jedenfalls wird sein Tod in einer Hotel-Rezeptions-Szene erwähnt. Das kann ruhig als Hommage gelesen werden, als Orientierung; denn in der Art eines -Essay-Fimes bebildert mit genauso intensiver Bild- als auch Textspur der Filmemacher den Roman Orlando von 1928 der Autorin Virginia Woolf mit einer großen Zahl von Darstellern und Darstellerinnen, die sich jeweils namentlich vor der Kamera vorstellen und ansagen, dass sie Orlando oder Sasha spielen.
Jede Figur bekommt eigene Illustrationsszenen in meist opulent prunkvollen Innenräumen und spielt die eine oder andere Szene aus dem Leben von Orlando nach. Dieser ging als Botschafter nach Konstantinopel und erlebt hier seine Verwandlung zur Frau, die mit Träumen und Schlaf beginnt.
Die Erzählung ist die, dass es sich um eine Verwandlung über einen Zeitraum von Jahrhunderten handelt.
Durch die vielen verschiedenen Protagonisten ergibt sich ein faszinierend vielseitiges Bild von der Auffächerung dieser Definition eines Menschen zwischen den Stereotypen Mann und Frau. Es blitzen die Konflikte auf, die dadurch in der Gesellschaft entstehen.
Politisch nennt Paul B Preciado den Film, weil sich die Politik in ihrer Ausgestaltung der staatlichen Verwaltung und des Ausstellens von Identitätspapieren besonders schwer tut mit der Differenzierung eines Menschen außerhalb der Kategorien Mann und Frau.
Die Haltung zu dem Thema, die im Film zum Ausdruck kommt, ist nicht die bierernsten Leidens, es ist vielmehr allein die Freude daran zu erkennen, das Thema frei behandeln zu können, der Fantasie, der Literatur, der Poesie freien Lauf zu lassen genau so wie der Dekoration, der Ausstattung, der Kostümierung, Frisuren, Schminke.
Humor blitzt auf, wenn der Psychiater Dr. Königin heißt oder Orlandos Hund Rilke.
Der Film ist ein Lobgesang auf fluide Geschlechteridentität; und es wird noch unbegreiflicher, warum Menschen in diesem Bereich immer wieder Diskriminierung, digitale Übergriffe und Mobbing erleben.
Die Multibesetzung der Orlando-Figur weist auf deren Allgemeingültigkeit hin – auch durch die Zeiten. Filmische Selbstreflektion, Studiosituation sind ebenfalls Bestandteil der Erzählung der Leichtigkeit der Kost halber; denn das Thema ist nicht frei von Leid und Einsamkeit, die diese Reise durch so ein schwieriges Terrain nicht ausspart.