Kino Ritz Helsiniki
Dieses Kino Ritz in Helsinki gibt es so natürlich nicht, es ist ein fiktives Kino, ein feines Arthouse-Kino, wie Kaurismäki es gerade selber am Bauen sei.
In diesem Kino schauen sich die beiden Protagonisten aus Aki Kaurismäkis (Le Havre, Die andere Seite der Hoffnung) Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen), von dem keiner den Vornamen kennt, einen Zombiefilm an.
Das menschen- und kinoliebende Schlitzohr Kaurismäki bringt seine Kinoverehrung schlau zum Ausdruck mit besonderen Zuschauerkommentaren zum Zombie-Film; den einen erinnert er an Bressons Fahrraddiebe, den anderen an Godard; das ist doch feinsinnig, das ist doch liebenswürdig und vor allem wieder den Tier- und Bierernst im Kino.
Das lässt Raum für ein weites Herz und für Menschenliebe, für Empathie mit den Gebeutelten, nicht vom Glück Verfolgten, nicht besonders Erfolgreichen und genau so für die Kinoliebe.
Ansa arbeitet erst in einem Supermarkt, verliert den Job, weil sie abgelaufene Ware, die eh weggeschmissen wird, mitgehen lässt. Dann versucht sie es als Spülerin und gleich auch als Bedienung in einer Kneipe mit wunderbarer Juke-Box. Der Kneipier macht unsaubere Geschäfte durch die Hintertür und so ist sie ihren Job los, bevor sie die erste Bezahlung bekommt. Schön symbolisch wird sie sich eines Hundes erbarmen.
Holappa geht es nicht viel besser. Der ist nach dem Rauswurf wegen Alkohols nicht nur seine Stelle, sondern auch seinen Schlafplatz los.
Aus dem Radio oder Fernsehen spielt immer wieder das Zeitkolorit mit, Nachrichten aus dem Ukrainekrieg, russische Kriegsverbrechen wie der Bombardierung des Kinderspitals von Mariupol. Das gibt auch einen Hinweis auf die Zeit, in der der Film spielt: Frühjahr 2022.
Die verlorenen, einsamen Seelen Ansa und Holappa begegnen sich, diese vom Schicksal Gebeutelten. Sie spüren Verständnis für einander. Aber Holappa verlottert den Zettel mit ihrer Telefonnummer nach dem Kinobesuch. Vorm Kino warten sie zu verschiedenen Zeiten.
Aki Kaurismäki spinnt die Geschichte weiter, lässt die beiden sich wieder treffen. Aber der Alkohol droht die aufkeimende Beziehung gleich wieder obsolet zu machen.
Aki Kaurismäki schildert das Milieu dieser einfachen Leute durchaus mit einem Schuss Filmromantik in den Bildern. Die wieder unterstützen des Zuschauers Empathie für die Figuren, die eine große Glaubwürdigkeit ausstrahlen trotz ihrer Defizite, ihrer Süchte (Alk und Zigaretten) und ihrer Sehnsüchte.
Eine Bar, in der Karaoke gesungen wird, ist einer dieser Sehnsuchtsorte. Hier traut sich der Zimmerkumpan von Holappa mit einem großartigen Bass zu singen, sich aber für einen Tenor zu halten. Auch die anderen Gesangseinlagen sind überzeugend; Kaurismäki ist nicht eine Sekunde gefährdet, die Laien in irgendeiner Weise lächerlich erscheinen zu lassen. Es ist schließlich der Moment des Träumens von kleinem, kurzem Glück, so ein Auftritt. Ein Mittel gegen Existenztrübsal wie der Film selbst auch.