Ohne Medikamente halte ich mich für Jesus,
ohne Medikamente raste ich aus, meint der zahnlückige Francois mit dem eindrücklichen Gesicht, der anfangs dieser Dokumentation von Nicolas Philibert einen zu Herzen gehenden Song von der menschlichen Bombe zum Besten gibt.
Das ist bei einer der vielfältigen Veranstaltungen und Aktivitäten auf der Adamant, einem mit viel Holz umgebauten und unter einer Brücke fest vertauten Seine-Schiff in Paris.
Auf Deutsch übersetzt ist die Funktion: Tageszentrum Pariser Zentraleinheit. Das ist für Patienten der vier ersten Stadtbezirke der St.-Maurice-Krankenhäuser und ist Teil der Esquirol-Psychiatrie, ein Projekt, was 2010 eröffnet worden ist.
Eine Frage im Abspann lässt vermuten, dass das Projekt nicht für immer gesichert ist. Die Gründer sehen es als Ort des Widerstandes, wo die poetische Funktion des Menschen und der Sprache gedeihen kann. Es scheint vor allem künstlerisch veranlagte Patienten anzuziehen.
An Bord wird gemalt, Musik gemacht, geschneidert. Es gibt immer wieder Versammlungen, es scheint ein Art Mitbestimmungsrecht für die Patienten zu geben. Es werden die Bilder diskutiert und das Thema Impfung ist akut zur Drehzeit.
An so einem Ort muss ein Filmemacher damit rechnen, plötzlich selbst interviewt zu werden von einer Patientin, ob er ein Auto habe, wie er und sein Tonmann denn das viele Equipment schleppen, ob sie ein Haustier haben, eine Freundin.
Die Patienten legen oft eine hohe Selbstreflixivität an den Tag im Zusammenhang mit existenziellen Fragen. Immer wieder ist eine Gruppe aus Betreuern und Patienten über die Kasse gebeugt, ist mit Geldzählen beschäftigt, schwierig, zu gleichen Zahlen zu kommen.
Der Film erinnert an Irre oder der Hahn ist tot, eine Dokumentation über eine ähnliche Institution aus Freiburg im Breisgau, die allerdings schon 1970 gegründet wurde und bis heute fortbesteht; wobei hier beim Pariser Modell das Künstlerische ein deutlich stärkeres Gewicht zu haben scheint.
Auch die baulich besondere Gestaltung mit viel Holz hebt das Schiff von seiner Umgebung ab, während die Gebäulichkeit in Freiburg von der Stange sein könnte.
Ein Patienten-Zitat behauptet, dass hier lauter Schauspieler seien, die nicht wüssten, dass sie Schauspieler seien; ein weiterer Hinweis auf die filmische Ergiebigkeit der Dokumentation.
Ein Maler sieht in sich und seinem Bruder eine Doublage zu Van Gogh und dessen Bruder und beruft sich dabei auch auf Wim Wenders, der davon allerdings nichts wissen dürfte. Ein anderer antwortet auf die Frage, ob er einen Beruf gehabt habe, nein, die Poesie, aber das sei kein Metier.