Oppenheimer

Vater der Atombombe

wurde Robert Oppenheimer genannt. Und wenn man den Film von Christopher Nolan gesehen hat, der mit Kai Bird und Martin Sherwin auch für das Drehbuch zeichnet, so bekommt man ein recht konkretisiertes Bild dessen, was man so oder so oder teils schon wusste. Wie der exilierte Deutsche Oppenheimer der führende Physiker in der Entwicklung der Atombombe während des zweiten Weltkrieges wird.

Dadurch ergibt sich für den Film die Chance, in den Reigen des Revivals von Wüstenstädten im Kino einzutreten, nach Babylon von Damien Chazelle und Asteroid City von Wes Anderson wird jetzt als Wüsten- und Kulissenstadt Los Alamos gebaut.

Hier können die geheimen Forschungen und Experimente vorangetrieben werden. Dies wird einerseits der Reihe nach erzählt, andererseits setzt Christopher Nolan dafür einen irren Mix an Vor- und Rückgriffen zum Thema der Atomwaffen ein, den ein heutiger Zuschauer problemlos als geistigen Faden begreifen und sich davon hinreißen lassen kann.

Denn, klar, gab es jede Menge Diskussionen, innerhalb der Forschung – für Einstein (Tom Conti) kommt sie überhaupt nicht in Frage. Das Thema wird und wurde diskutiert in militärischen Kreisen, in politischen und die Geheimdienste haben nach dem Krieg noch das Problem der MacCarthy-Ära.

Teile dieser Diskussionen bringt der Filmemacher in bestechend historisierendem Schwarz/Weiß auf die breite Leinwand. Aber nicht nur so nähert er sich dem Thema. Denn der Konflikt brummt fast ununterbrochen im Kopf von Oppenheimer (Cillian Murphy); das signalisiert Christopher Nolan mit dem Sounddesign von Ludwig Göransson, das sich gewaschen hat – phänomenal, was das zum Film beiträgt.

Aber auch das Filmmaterial (und die entsprechenden Kameras!) was der Regisseur durchgesetzt hat, 70 Millimeter analog, in München nur vorzuführen im grandiosen neuen Saal von Arri, wird hier zum Exzellenz-Kriterium.

Von digitaler Projektion ist man inzwischen teils fast schmerzliche Schärfe gewohnt; so dass die Analog-Projektion den verführerischen Eindruck von charmanter Unschärfe erweckt; die einen eher in die Leinwand und die Vorgänge darauf hineinsaugt statt einen auf die Bewerter-Position zurückzudrücken.

Furios, wie Nolan die Explosionsversuche in der Wüste schildert, besonders den letzten, welch Lärmpegel, welch ein Sound – und dann erst Mal: Stille (das ist der Trick: mit Verzögerung).

Christopher Nolan arbeitet ungeniert mit Übertreibung, der entstehende Begeisterungstumult nach dem gelungenen Versuch und erst recht nach der Info über den Abwurf der Bombe auf Hiroshima; welch Freudentaumel bei den Machern.

Bilder des Privatlebens mit seiner Frau Kitty (Emily Blunt) und seiner Geliebten Jean (Florence Pugh)) runden das Bild des Forschers ab, der tief getroffen wird von der vernichtenden Wirkung der Bombe. Er verwendet sich künftig dagegen. Das passt der Politik nicht. Sie spinnt eine Intrige gegen ihn.

Das wird der dritte Teil des Filmes, die dritte Stunde. Hier macht fassungslos, das bringt Nolan super rüber, wie durchgeknallt die USA auf das schwere Verbrechen der Atombombe reagiert: nicht etwa Aufarbeitung, nein, Kommunistenjagd, MacCarthy; das zu sehen ist fast noch schmerzhafter als die Bombe und ihre Folge selbst: wie wenig die Menschen oder die Politik offenbar in der Lage sind, Fehler zu analysieren, auszusprechen und daraus zu lernen.

Nein, es müssen schwarze Schafe gefunden werden für irgendwas. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Mit einem Hinweis auf Prometheus fängt Christopher Nolan seinen Film an: da setzt er den Hitzelevel des Filmes gleich hoch an, den er bis zum Zünden der Bombe durchhält.

Die Diskussion über die Atombombe erinnert an die aktuelle Auseinandersetzung über den Einsatz von Streubomben durch die Ukraine; dabei zeigt sich speziell der deutsche Bundespräsident als alles andere als beschlagen und modern, was Menschenrechte, offenen Dialog und die Ächtung von solcher Munition betrifft; auch er scheint nichts gelernt zu haben; er verteidigt diesen Einsatz noch.

Politischer Zynismus pur eines Präsidenten: wie Oppenheimer Harry Truman (Gary Oldman) gegenüber äußert, er habe Blut an den Händen, bietet ihm dieser sein weißes Einstecktuch an.

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