Irre oder der Hahn ist tot

Im Zuge der Antipsychiatriebewegung gründeten 1970 engagierte Bürger°innen die FREIBURGER HILFSGEMEINSACHFT – FHG und schufen eine Anlaufstelle für psychisch erkrankte Menschen.

Kleine Bombe im Gepäck

Der Film von Reinhild Dettmer-Finke über die Freiburgr Hilfsgemeinschaft FHG, die im Zuge der Antipsychiatriebewegung 1970 gegründet wurde, kommt als freundlich wahrgenommener Hausbesuch daher, hat dann aber doch eine kleine Bombe im Gepäck: Anschuldigungen gegen „Emmendingen“, womit das zfp, das Akademische Lehrkrankenhaus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Psychiatrie gemeint sein dürfte.

Von Disziplinarmaßnahmen ist die Rede, von Übergriffen, Medikamentenabhängigkeit, Isolation und davon, dass dort viele Patienten Selbstmord begehen, da sie die Umstände nicht aushalten, oder zumindest mit Rauchen anfangen würden und überhaupt könne man öffentlich nicht darüber berichten, höchstens vielleicht in einem Song über die Dinge, die dort passieren.

1970 gab es einen großen öffentlichen Streit über die Psychiatrie; es scheint sich noch um dieselben Argumente zu handeln. Allerdings sind das Einzelstimmen.

Es ist eine Dokumentation, die in der Einrichtung dabei sein, die sich bei den Bewohnern umsehen, die sich mit ihnen unterhalten darf, die sie erzählen lässt von den Tiefen, die eine Depression bedeuten kann und die nicht prinzipiell Medikamente ablehnt, eine solche Stimme gibt es nur einmal; sonst werden Medikamente durchaus als hilfreich angesehen, wenn die richtig eingestellt sind.

Es entsteht das Bild einer Wohngemeinschaft, die wie eine Familie gesehen werden kann. Es wird gemeinsam gekocht, gegessen, abgeräumt und das Geschirr gespült. Manche Bewohner haben Schwierigkeiten im Umgang mit Geld und erhalten regelmäßig kleine Beträge in bar. Es gibt künstlerische Kompensationen zur Depression: Malen, Musizieren oder Poetry-Slam („Kikerikii – Du Schlauwildschlumpf!“).

Es wird deutlich, dass die Einrichtung versucht, die Patienten auf Augenhöhe zu behandeln (Heilung durch Verstehen, dafür brauche man Normalität). Es gibt sogar die Möglichkeit, sich weiterbilden zu lassen zum „Ex-In-Genesungsbegleiter“. Das Zertifikat wird den Absolventen in einer Zeremonie überreicht, zu der sie Doktorhüte tragen. Und zum Schluss wird die alte Frage erinnert, wer denn in unserer Gesellschft überhaupt die Verrückten sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert