Trenque Lauquen

TEIL 1

Nicht klassifizierte Spezies
oder: eine unabhängige Frau
oder die Liebe: die immer grad woanders ist.

Das ist vielleicht eines der Geheimnisse der Liebe: dass sie immer grad woanders ist, in den Köpfen, in den Geschichten, in den Büchern, in den Filmen, in der Literatur oder bei anderen Menschen, die sich der Liebe aber nicht gewahr sind.

Das ist vielleicht auch das Geheimnis der reinen Liebesgeschichten. Dass sich alles um die Liebe rankt, aber zu fangen ist sie nicht, festzunageln schon gar nicht, sie ist vielleicht ein flüchtig Ding.

Vielleicht ist die Liebe eine nicht zu klassifizierende Spezies hier im Film von Laura Citarella (Produzentin: La Flor), die mit Laura Paredes auch das Drehbuch geschrieben hat, auf jeden Fall als Symbol zu sehen. Denn die große Leerstelle an Protagonistin Laura (Laura Paredes), ist in ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf der Suche nach einer solchen, eine fehlt ihr noch. Sie ist die Freundin des Dozenten Rafael (Spregelburd). Und Laura ist verschwunden.

Auf die Suche nach Laura machen sich Rafael und Etzequiel (Ezequiel Pierri). Etzequiel kennt sie lange, arbeitet auch für den Staat, fährt Laura oft, hier ist sie keine Leerstelle mehr, ins Land hinaus zu ihren Recherchen.

Laura Citarella hat ein feines Geschichtengespinst erstellt, das um Laura einerseits, um die literarische Figur Carmen und deren Freund Pedro, kreist, andererseits um die beiden Männer Rafael und Etzequiel, die wiederum in Beziehung zu Laura stehen, wovon der eine der beiden einen gewissen Informationsvorsprung hat und den auch für sich zu behalten weiß.

Die Leer- oder Füllstelle des Filmes ist Laura, ist ihre Arbeit für das Radio, ist ihr Einsatz für die Emanzipation der Frau, für die Unabhängigkeit der Frau, ein Thema, das besonders im Moment der Schwangerschaft an Brisanz gewinnen kann, wie das quasi literarische Vorbild, der Briefroman zwischen Carmen und Pedro, zeigt. Es gibt Parallelen zwischen beiden Liebesgeschichten. Und es gibt das Verschwinden von Laura. Es gibt aber auch literarische Hinweise, wie der Film – leicht – zu lesen ist: Cesare Pavese, „le amiche“, „wer Kinder hat, akkzeptiert das Leben“. Wobei der Satz möglicherweise mehr Rätsel stellt als löst.

Ganz nebenbei ist der Film als Roadmovie eine kleine Argentinien-Besichtigungstour mit vielen Orten, die nicht durchorganisiert sind, mit Orten, wo Luft zum Atmen und auch zum Zerfall da ist.

TEIL 2

Daily Mystery
telenovelagestählte Erzählweise
das tägliche Rätsel der Vorstadt

Trenque Lauquen.
Daily Provinzstadt-Mystery

In diesem zweiten Teil des Provinzstadt-Mystery-Opus von Laura Citarella werden einige Fragen aus dem ersten Teil beantwortet, dafür kommen neue Geheimnisse ins Spiel.

Im ersten Teil sucht Ezequiel eine Frau, Laura (Laura Paredes). Hier im zweiten Teil sucht die gesuchte Frau etwas, was, das wird der Zuschauer am Ende selber beantworten müssen und auch, ob sie es gefunden hat.

Hier wird nachvollziehbar erzählt, wie und warum Laura sich das Auto von Ezequiel urplötzlich ausleiht und dann verschwindet. Das hat mit der Beziehung zu Juliana (Juliana Muras) zu tun, der Schwangeren, die Laura beim Hörfunk der titelgebenden Kleinstadt Trenque Lauquen kennenlernt. Es geht um eine Sendung über Frauen, die die Ortschaft und die Geschichte prägten, die neue Frau von Trenque Lauquen.

Juliana Verdi ist eine der neuen Frauen. Laura ist auch Gast in der Live-Sendung, die ausgiebig von Regisseurin Laura Citarella geschildert wird, als gäbe es kein Morgen; wie denn überhaupt der Zeitbegriff im argentinischen Kino doch ein anderer zu sein scheint als beispielsweise im europäischen, mal abgesehen vielleicht von einigen Filmen von Bela Tarr.

Wobei das südamerikanische Kino häufig, was den Zeitbegriff betrifft, von der Tradition der Telenovelas geprägt scheint. Etwas fehlt hier im Film von Laura Citarella gänzlich, was oft ein Thema ist in lateinamerikanischen Filmen, das Thema Herrschaft und Dienerschaft, der Klassenunterschied. Hier sucht erst – im ersten Teil – ein Mann eine Frau, dann sucht eine Frau – in diesem zweiten Teil – etwas, was genau, dürfte offen bleiben. Sie ist hinter Juliana her, pirscht sich in ihr Leben mit einer anderen Frau hinein. Auch diese zwei Frauen haben ein Geheimnis, hinter welches zu kommen nicht leicht ist, es hat mit Pflanzen zu tun und mit einem In-Vitro-Gewächshaus.

Vielleicht ist Film einfach ein Hohelied auf das Vorstadtleben.

Historisch-literarischer Hinweis:
„Ein Meer an Neugikeiten“
Nudistin Lady Godiva von Coventry. 11. Jahrhundert.
Nur Peeping Tom schaute und erblindete.

Lob der Kleinstadt: „Wenn man einmal hindurchspaziert, trifft man die Hälfte der Bewohner“ (was ist mit der anderen Hälfte?). Hier wird ständig jemand gesucht oder verfolgt. Ständig ist der Film hinter wem her.
Laura die Geschichtenerzählerin, sie hat den Kaiman gesehen, gehört.
Das Geheimnis des oberen Stockwerkes. Die zwei Frauen, Lisa, Romina.

Und hinter Trenque Lauquen beginnt die Pampa.

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