Beau is afraid

Im Niemandsland muttergeformter und mutterbehrrschter Psyche. Ein armer Kerl ist er, Beau (Joaquin Phoenix) vollkommen orientierungslos. Sage noch einer, es gebe keine Gewalt von Frauen gegen Männer. Dann heißt der so Deformierte auch noch Beau, Schön (seine selbe Mutter verniedlicht ihn als „Karottchen“), derweil stottert ihm selbst ein kleiner Boots-Motor in der großen Schlussabrechnung vor kolosseumshafter Kulisse, so viel Antike muss sein, bei der Geschichte eines heutigen Unternehmens, das sich die Sicherheit auf die Fahne geschrieben hat. Keine Sicherheit beim Sohn dieser Unternehmerin.

Die Wassermanns

sind Unternehmer in den USA; Ihr Wohnort ist nach ihnen benannt: Watertown. Die Mutter (Patti LuPone) ist besonders erfolgreich. Allerdings wäre das ziemlich langweilig, nur so eine unternehmerische Erfolgsgeschichte nachzuerzählen (so wie Air – Der große Wurf).

Nein, Ari Aster (der schon mit Midsommar und Hereditary die Grenzen der Alltagskonvention weit gesprengt hat) hat mehr im Sinn.

Vielleicht haben ihn die Psychothriller von Kim Ki Young inspiriert, in die Psyche der Beziehung zwischen dieser erfolgreichen Mutter und dem doch ziemlich muttergestörten Sohn hineinzutauchen, sozusagen die Negativvariante einer absolutistischen Mutterherrschaft über ihren Sohn lustvoll und bildkräftig zu bschreiben, in einem traumatischen dreistündigen Trip, der so fesselt, dass man beileibe nicht auf die Idee käme, zum Beispiel die schauspielerischen Leistungen zu bewerten. In der Nähe solch psychotischer Abgründe wäre vielleicht noch mother! von Darren Aronovsky zu finden.

Weil der Sachverhalt so glasklar herausgearbeitet wird, dass man sich damit beschäftigen muss. Sicher sind nicht alle Mütter so. Sonst wäre wohl die wie in einem sanften Theatertraum vorgeführte Variante eines normalen Männerlebens überhaupt nicht möglich, nämlich einen Beruf zu erlernen, ein Haus zu bauen, seinen Garten zu kultivieren, eine Familie zu gründen und in ihr sich fortzupflanzen – allein diese Sequenz des Filmes ist so wunderbar samt der Gegenrede von Beau, der wie verloren in diesen Märchenwald geraten ist, der hier Zuneigung, Aufmerksamkeit und Wundversorgung findet; es ist der Märchenwald der Waisenkinder; Beau glaubt, hier seinen Vater wiederzufinden, von dem doch die Mutter in einer dramatischen Szene erzählt, wann und wie genau er gestorben seid, heftig, heftig.

Und damit dem Sohn unendliche Schuldgefühle einpflanzt und ihm dies auch vorwirft, wie überhaupt, was sie alles für ihn getan habe.

Ari Aster schildert bannend ein Abhängigkeitsverhältnis, das offenbar nicht mal der Tod, geschweige denn der Psychiater entschärfen, gar auflösen kann. Pech hat Beau auch mit Elaine (Parker Posey), die er schon als Kind kennenlernt (Armen Nahepatian als Teen Beau und Julia Antonelli als Teen Elaine), bei der Erotik ein merkwürdig harter und geschäftiger Vorgang ist.

Dabei ist Beau nicht mal als romantischer Träumer geschildert. Aber das Leben mit dieser Mutter zeichnet ihn. Er kann ihr nichts recht machen. Sie ist ein Alptraum, den er nicht los wird. Und der ist auch ständig vorhanden, auch auf der Tonspur mit oft penetranten Frauenstimmen oder diesem sirenenhaften Gesang hoher Frauenstimmen, später dann mit der typisch amerikanischen Filmstar-Vamp-Stimme.

Der Film ist ein Psychotrip, bei dem es gut ist, dass der Zuschauer in einem Kinosessel und nicht in einem Sattel sitzt, sonst könnte es ihn rausschleudern. Manchmal fragt man sich, ob dieses Leben, wenn es denn überhaupt ein Leben ist, eines in eine Richtung oder im Kreis ist, bei dem immer wieder die Mutter auftaucht, in einer gewaltigen Schlussszene als theatrale Anklägerin mit dem wie ein Staatsanwalt agierenden Richard Kind. Der Film beeindruckt, weil diese absolute Herrschaft der Mutter keine Sekunde lang als billiges Klischee rüberkommt, weil Ari Aster minutiös diesen gnadenlosen Herrschaftsmechanismus als eine Variante von Mutterschaft gnadenlos freilegt. Oder es ihm mindestens Spaß macht, derlei zu behaupten.

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