Dieses Biotop!
Dieser Mikrokosmos!
Dieser Spiegel der Gesellschaft!
Ein Lehrerzimmer ist ein ganz spezielles Biotop, ein ganz spezieller Mikrokosmos, in dem sich eine ganze Gesellschaft und ihr Zustand, ihr Bildungszustand spiegeln kann.
Neulich hat Sönke Wortmann mit Eingeschlossene Gesellschaft versucht, dieses Milieu mit Action plakativ zu exploiten. Spiegel unserer Gesellschaft war da wenig drin.
Jetzt hat sich Ilker Catak (Es gilt das gesprochene Wort), der mit Johannes Duncker auch das Drehbuch geschrieben hat, titelgebend dieser Örtlichkeit angenommen und offenbart sie in schön fokussierter Inszenierung als einen unangenehmen bundesrepublikanischen Mikrokosmos.
Hier spiegeln sich und rangeln jede Menge von Konflikten miteinander. Die Schule soll ausbaden, was zuhause kaputt gemacht worden ist. Das ist jetzt schon eine Über-Interpretation, die aber nicht im Widerspruch zur Realität steht, die der Film hier spannend behauptet.
Es ist eine fingierte Realität, die zu spüren gibt, dass der Filmemacher einen Abgleich mit der gesellschaftlichen Realität im Lande sucht und plausibel findet. Das ist bemerkenswert in einem Filmland, in dem dank massiver, vielseitiger Förderer, am liebsten Themenfilme zustande kommen, die um ein gesellschaftliches Thema herum illustrierend Menschen erfinden; woran die Filme dann meist auch kranken und gerne als Fernsehfilme bezeichnet werden, die im Kino nichts zu suchen haben.
Ilker Catak beweist hier, dass trotz Förderer und TV-Redakteuren ein aufregendes Kino zu machen ist, das noch dazu in keiner Weise an das Publikum sich ranwanzt, das im Gegenteil auf eine Schmerzstelle im Lande verweist.
Im Lehrerzimmer des Emmy Noether Gymnasiums wird der Protagonistin Carla Nowak (Leonie Benesch) Geld aus der Jacke geklaut. Sie hat einen Videobeweis dafür. Sowieso wird an der Schule immer wieder gestohlen. Das schafft schon mal ein ziemlich unangenehmes Klima.
Die Schüler, die Carla und ihre Kollegen unterrichten, sind gemischte Klassen von Präpubertären, von Kindern an der Schwelle zur Pubertät, schwierig genug.
Wo gestohlen wird, muss verdächtigt werden. Reine Spekulation erfahrungsgemäß. Hier ist Schüler Oskar (Leonard Stettnisch) das leichtfertig ausersehene Opfer. Dessen Mutter Friederike Kuhn (Eva Löbau) gerät ebenfalls in Verdacht. Aus dieser Gemengelage heraus, speziell auch mit dem illegalen Video von Carla Novak, entwickelt sich im Klein-Klein von Verhaltenskodices der Lehrer, von Vorschriften und Prozeduren, von Sympathien und Antipathien die Dramatik des Filmes.
Die Schulleiterin Dr. Bettina Böhm (Anne-Kathrin Gummich) muss versuchen, den Entwicklungen, die außer Kontrolle zu geraten drohen, Einhalt zu gebieten. Der Film fängt vielleicht etwas beliebig an, gewinnt aber schnell an Fahrt und die Darsteller leben sich prima und überzeugend in ihre Rollen hinein. So dass man sich direkt wundert, dass der Film es nicht in den Wettbewerb der Berlinale, sondern nur ins Panorama geschafft hat.