Der verlorene Zug – Lost Transport

Heikler Übergang

vom Krieg zum Frieden, vom KZ in ein ziviles Leben im April 1945 in Deutschland.

Die Russen nähern sich von Osten, die Allierten von Westen, die Nazis nehmen Reißaus. Mit 3 Zügen wollen sie noch KZ-Häftlinge von Bergen-Belsen nach Theresienstadt transportieren. Der letzte dieser Züge mit 2400 Gefangenen bleibt in der Nähe des Dorfes Tröbitz stecken. Die SS-Bewacher fliehen und überlassen die ausgehungerten Gefangenen ihrem Schicksal.

Das ist in etwa der Info-Text am Anfang dieses Filmes von Saskia Diesing in einer holländisch-luxemburgisch-deutschen Koproduktion. Sie illustriert die Chaossituation am Beispiel von Simone (Hanna van Vliet) und Isaac (Bram Suijker), die die Zugtüren öffnen und plötzlich auf eine friedliche Landschaft mit einem Dorf im Hintergrund blicken.

Die Regisseurin versucht gar nicht erst einen Realismus in dem Sinne, dass ihre Figuren jetzt vollkommen ausgemergelt sind, wäre auch schwer zu machen mit Darstellern aus unserer Wohlstandsgesellschaft. Sie interessiert mehr diese Phase der Veränderung, diese Phase, in der die Menschen aus grauenhafter Gefangenschaft plötzlich in die Freiheit kommen.

Klar versuchen sie, sich Nahrung zu verschaffen, versuchen sie, irgendwie zurechtzukommen. Die beiden Protagonisten haben Glück, sie können sich in einem Haus in der Ortschaft in einem eigenen Zimmer einrichten. Isaac hat eine Fußverletzung. In dem Schlafzimmer gibt es eine intakte, groteske Tapete mit Hakenkreuzen.

Die Tochter des Hauses, Winnie (Anna Bachmann) bis vor wenigen Stunden noch eine glühende Nazianhängerin, muss jetzt plötzlich Opfer des Nazihasses bedienen.

Eine dritte Figur in der Konstellation ist die Scharfschützin Vera (Eugénie Anselin) von den Russen, die in das Gebiet vorgedrungen. Sie ist lange ziemlich erstarrt in ihrer Rolle als Naziverfolgerin, ständig trägt sie das Gewehr mit den zahlreichen Kerben am Kolben griffbereit. Sie kann der Funktion nicht viel abgewinnen, für die Opfer des Krieges da zu sein, denen die Haare zu schneiden, für sie zu kochen, sich um sie zu kümmern.

Saskia Diesing inszeniert ihre Zustandsbeschreibung mit vielen Feel-Good-Momenten, sie entscheidet sich für weiches Scheinwerferlicht auf ihre Figuren, sie kitzelt aus allen eine vergrabene Menschlichkeit heraus. Sie scheut nicht vor Momenten der Idylle zurück. Sie begleitet ihre Protatgonisten dabei, wie sie versuchen, sich provisorisch einzurichten, wie sie umgehen mit ihren Wunden, wie sie überlegen, wie es weitergeht; die Perspektive Russland und Stalin scheint nicht gerade verlockend; aber die Russen haben den Weg zur Albe bereits gesperrt – wegen Quarantäne.

Über ihre Darsteller zeichnet die Regisseurin das Bild einer Gesellschaft, die versucht, sich auf ihre wirklichen Werte zu besinnen; es geht darum, sich von den Verletzungen des Krieges zu erholen, sich erst mal wieder in einer normalen Welt zurechtzufinden.

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