4 Tage bis zur Ewigkeit

Verdurstungsphantasien

Sage oder Nicht-Sage, das ist hier die Frage.

Um 1860 geistert eine Geschichte durch die Presse von einem Mädchen Idilia Dubb, die aus Edingdburgh stammen sollte und in einem der Türme der Burg Lahneck am Rhein verdurstet sei, weil sie wegen einer eingestürzten Treppe den Turm nicht mehr verlassen konnte. Die Sage behauptet, sie basiere auf Tagebucheinträgen, die das Mädchen hinterlassen habe.

Diese Sagen haben Konstantin Korenchuck und Simon Pilarski zum Anlass für eine groß angelegte Improvisation im Sinne einer artifiziellen Performance genommen, welche diese 4 Tage bis zum Verdursten schildert.

Im Film selber gibt es einen Countdown von wenigen Tagen bis zur Hochzeit von Idilia (Lea van Acken) mit Franz Haberger (André M. Hennicke), dem ersten Völkerschaubetreiber. Einerseits ist Franz scharf auf seine Verlobte, sie aber beharrt auf der Jungfräulichkeit bis zur Hochzeitsnacht und lässt ihn nicht ran. Andererseits entspinnt sich ein Verhältnis zu einem Darsteller der Völkerschau (Eric Kabongo), Techtelmechtel mit Schwarzem. Auch das zumindest eine heiße Fantasie, die zudem vorm Bräutigam versteckt werden muss.

Die beiden Geschichten von der Verlobung und der Verlassenheit in der Burgruine werden ineinander verwoben. Es gibt einerseits experimentelles Footage zur Illustrierung von Verschüttungs-, Ruinen- und Höhlenfantasien, als deren Basis Strukturen und Ornamente aus der Ruine gelten können.

Der Sound dazu erzählt seine eigene Horror- und Gruselgeschichte.

Es ist eine Tour durch Räume von Angst und Verzweiflung. Und immer wieder finden sich Seiten aus dem Tagebuch, als ob die Geschichte ihren eigenen Halt suche. Vielleicht könnte auch von einer Höhlen-Gefangenschafts-Performance auf künstlich-artifizieller Ebene gesprochen werden, von einer gewissen Abstraktizität, wozu auch eine Kamera in ständig nervösem Aufruhr das ihre beiträgt.

Andererseits gibt es historisch-historisierende Spielszenen in musealem Ambiente als lebendigem Museum im Sinne einer aparten Museumshaftigkeit im Sinne von mutmaßlicher Schönheit des Historischen. Diese wirken selber fast wie ein Völkerkundemuseum von annno dunnemals. Sie tauchen in den Verschüttungen der Erinnerungen im Turm der Gefangenheit auf wie eine geschmackvolle Auslegeordnung in geschmackvoll musealer Authentizität.

Ein Dauersymbol ist die Schidlkröte, die ist ja auch strapazierfähig. Sie zeichnet Idilia oft, wie sie überhaupt viel zeichnet, auch die Schwarzen.

Ein anderer Film aus einer Zeit, als Schwarze noch Neger genannt wurden („Füttern der Neger verboten“) und die Weißen an deren Menschenhaftigkeit zweifelten, ist Angelo. Neu kommt hinzu der Herero-Völkermord-Aufarbeitungsfilm Der vermessene Mensch.

Von der Machart und dem Umgang mit lokaler Historie und Sage her erinnert der Film etwas an Effigie – Das Gift und die Stadt.

Die vier Tage bis zur Ewigkeit bekommen eine neckische Doppeldeutigkeit: einerseits bis zur Heirat, andererseits bis zum Tod durch Verdursten.

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