Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Und dann Tragödie

russischen Ausmaßes, um den literarischen Verweis auf Die Brüder Karamasow von Dostojewski als Kaliber des hier intendierten Dramas anzuführen.

Bis es zu der Tragödie kommt, delektiert sich Emily Atef, die mit Daniela Krien, der Autorin des hier verfilmten Romanes, auch das Drehbuch geschrieben hat, über zwei Stunden lang ausgiebig als Voyeurin des Unglücks, mit viel Fleiß und auch Hingabe an die Schauspielerei, an der gequälten Liebe einfach gestrickter Menschen.

In der finalen Tragödie erhebt sich der Film, spät, über die simple Ost-West-Geschichte, erhebt er sich weit über den hier ansonsten typisch deutschen Literaturverfilmungsmodus, multipel von Fernsehredaktionen betreut und wohlwollend gefördert.

Ein Dorf in Ostdeutschland. Vom Leben enttäuscht lebt Henner (Felix Kramer) mit seinen zwei Rottweilern allein auf einem Hof. Auf einem anderen, stärker bewohnten Hof, lebt der Sohn Johannes (Cedric Eich) unterm Dach mit seiner Freundin Maria (Marlene Burow).

Johannes ist deutlich jünger als Henner und ebenso ist es Maria. Sie wirkt wie eine verunsicherte junge Frau, die mit ihrem Frausein, ihren Sehnsüchten und Wünschen im Unklaren lebt. Sie kommt aus gestörten Familienverhältnissen. Über ihre Ziele ist nichts zu erfahren. Sie scheint alternativlos in diese weibliche Existenz in einem Ostdorf geworfen zu sein. Der Hof der Familie von Johannes scheint ihr Zufluchtort zu sein.

Johannes ist verliebt in sie, aber er wirkt nicht gerade als Sexbolzen. Er ist mehr der Träumer und wie er einmal im Westen eine Kamera erstehen kann, ist er hin und weg und entschlossen, die Aufnahmeprüfung an einer Kunstakademie zu machen. Seine bildliche Charakterisierung findet ihren Niederschlag in einem Bild von einem (treuen) Wolfshund an der Wand.

Auch über die Hunderassen scheinen die beiden Antipoden um Maria herum definiert zu sein. Für Johannes mit den idealistisch-feurig-naiven Augen scheint Maria ein vor allem praktikables Anhängsel zu sein. Das ist für sie nicht befriedigend nebst all ihren anderen, vermuteten Problemen, die sie anfällig für Blicke von Henner machen.

Das ist beinah ulkig inszeniert, wie Maria mit der Mutter von Johannes, Marianne (Silke Bodenbender), im DDR-Auto mit möglicherweise kaputten Bremsen den Überschlag probt und die beiden Frauen unversehrt aus dem wieder auf den Rädern stehenden Auto entsteigen, da kommt Henner hinzu, schiebt den Wagen wieder auf die Straße, Marianne tuckert davon und Maria läuft wie fremdgesteuert mit ihrem Köfferchen dem Rottweiler, oh, Pardon, Henner, hinterher auf seinen Hof.

Diese Sequenz ist in einer merkwürdigen Mischung aus Abstraktion und TV-Realitätsverweigerung gedreht und stellt die Menschen als spracharm dar. Oder wie er ihr anschließend ein Glas Wasser anbietet, das wirkt wie eine Kunstperformance und dabei etwas krampfig.

Was den Film quälend macht nebst den quälenden, unausgesprochenen, unausgegorenen Liebesbeziehungen, sind diese nacherfundenen Alltagsszenen mit diesen allenfalls alltagspraktischen Sätzen oder teils auch Erklärsätzen, die weder die Figuren charakterisiseren, ihnen auch kein Geheimnis entlocken, noch die Handlung vorwärtsbringen, Sätze von einer Austauschbarkeit sondergleichen, die den Film enorm viel an Exklusivität kosten, die ihn sozusagen gegen jegliche Kreativität zubetonieren und nicht dazu angetan sein dürften, ihm eine lange Lebensdauer zu bescheren: „Ich kann auch im Garten den Tisch decken“, „Ich hab den ganzen Tag geschuftet“, „Ähm, ich hole meine Sachen“, „Wo warst du denn, ich warte eine Ewigkeit“, „Alles in Ordnung, Maria?“, „Maria, was ziehst du morgen an, wenn die Westler kommen?“, „Du musst die Sahne nicht mehr selber schlagen“, „Ich muss wieder los, Mutti, ich hol mir ein paar Klamotten aus dem Schrank“, „Bald gibt’s Essen“, „Die müssen auch noch auf den Tisch, das Besteck muss auch noch verteilt werden“, „Du hast Fieber“, „Ich nehm ’n paar Tomaten und ähm ne Gurke“. – Wie kann sich das Kino nur so entblößen, dermaßen vernünftelnde Figuren zu inszenieren.

Schwer erträglich macht sich der Film oft auf der Soundspur, die direkt auf die Bedeutungshaftigkeit der Bilder hinweist. Vielleicht sollte Frau Atef ab und an ihre Seele baumeln lassen, statt einen Film nach dem anderen herauszuhauen.

Ein Gedanke zu „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“

  1. Dieser Film hat die Verstörung der Menschen in der DDR nach dem Mauerfall treffend wiedergegeben. Sie waren nicht sehr gesprächig noch mitteilsam. Dazu die erste Liebe, die eine Tiefe haben kann, die nicht zu erfassen ist, weil das Darübersprechen noch nicht einmal mit der Mutter möglich war. Eher lauter verkümmerte Seelen, die das DDR -Regime zurückgelassen hat.

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