Wahrheit und Vorurteil
Soziodram / leise Komödie
In etwas hineinmanövriert
Auf den hohen Wellen, die Vertreibung, Flucht, Migration, Rassismus und Diskriminierung schnell aufpeitschen, treibt dieses tschechische Soziodram komödienleicht.
Irina (Elizaveta Maximová) wohnt mit ihrem Sohn Igor (Igor Chmela), der ein leidenschaftlicher Turner ist, in einer gesichtslosen Plattenbau-Siedlung in Tschechien in der Nähe der ukrainischen Grenze. Sie ist Ukrainerin, möchte aber tschechische Bürgerin werden. Sie spricht perfekt tschechisch und schlägt sich als Reinigungskraft durch. Mit einer Freundin träumt sie davon, einen Frisiersalon zu eröffnen.
Während Irina sich auf einer Ukraine-Reise befindet, landet ihr Sohn im Spital, er sei zusammengeschlagen worden. Vermutlich Roma, die Idee ist schnell in der Welt und nicht von der Hand zu weisen in dem übel beleumdeten Plattenbauviertel; da gibt es offenbar immer wieder Probleme. Augenscheinlich und auf Anhieb ist er das titelgebende Opfer.
Die Kriminalpolizei nimmt Ermittlungen auf wegen einer Straftat. Aber das Opfer ist nicht vernehmungsfähig. Ein Opfer ist in einem gewissen Sinne auch seine Mutter, Flucht, vom Mann verlassen. Das wird sich im Zuge der Suche nach dem Grund für die Verletzungen von Igor ausweiten.
Die Vermutung, dass Roma die Täter waren, entwickelt eine ungebremste Eigendanymik, Freunde starten Internetkampagnen, wollen eine Solidaritätsdemo veranstalten, die Medien interessieren sich, die Politik. Da schaukelt die leise Komödie schon heftig mit, wie Michal Blasko, der mit Jakub Medvecky auch das Drehbuch geschrieben hat, schildert, wie diese Dinge einen ungewollten Selbstlauf entwickeln, noch ohne die Wahrheit näher geprüft zu haben. Denn auch die Politik will ihr Süppchen auf dem rassistischen Vorfall kochen und knausert nicht mit tollen Angeboten für die vermeintlichen Opfer, das geht von einem Scheck bis zu einer neuen Wohnung, alles öffentlichkeitswirksam verbraten.
Dabei kristallisiert sich nach und nach heraus, dass die Wahrheit eine ganz andere sein könnte; wenn die aber an den Tag käme, wäre Schluss mit wohlfeilen Verdächtigungen, mit eilig abgerufener Solidarität und mit skrupelloser Politploitation.