Vom Suizid der Eloquentia
Aussichtslos ist die Position des Geistes in der Auseinandersetzung mit der politischen Macht.
Diese These bebildert Robert Schwentke (Der Hauptmann, R.e.d. – Älter, härter, besser), der mit Matthew Wilder auch das Drehbuch geschrieben hat, mit einem brillanten, farcefratzenhaft schillernden Kino über die Auseinandersetzung zwischen dem Philosophen Seneca (John Malkovich) und König Nero (Tom Xander).
Seneca ist der bonzenhaft gut verdienende In-Philosph (Bonzen-Seneca) der römischen Gesellschaft und bereitet Nero auf seine Reden vor. Das Wort ELOQUENTIA prangt in goldenen Buchstaben an einer Wand seines Landsitzes und die Gäste erhalten, wenn sie ihn wieder verlassen, eine kleine, goldene Büste von ihm als Souvenir; frühes Merchandising.
Der Film lässt von Anfang an keinen Zweifel, wie er den Ausgang des Kampfes Geist gegen politische Macht sieht und schildert diese ungleiche Auseinandersetzung mit energievollem Cinematographie-Furor, mit experimentellen Einschüben, Farbfiltern und auch mal mit einer Texttafel. Er lässt keinen Zweifel daran, dass die Philosophie in der Form der Eloquentia dem Untergang geweiht ist, Opfer der politischen Tyrannei wird.
Dies malt Schwentke so dratisch auf die Leinwand, dass einem jede Menge aktueller Terrormenschen an Staatsspitzen in den Sinn kommen, zuvörderst der russische, der wohl an Grausamkeiten, die er über die Ukraine kommen lässt, in nichts seinem römischen Vorbild nachsteht. Und er ist aktuell nicht der einzige auf der Welt. Der Geist hat da nichts berichten.
Genial ist die Besetzung der Rolle von Seneca mit John Malkovich. Dieser ist bekannt dafür, dass er das Gegenteil eines Method-Actors ist. Er ist ein reiner Text-Actor. Er lernt die Texte Wort für Wort und reproduziert sie in einer gewissen Monotonie, aber immer gut verständlich vor der Kamera, egal um was für eine Rolle es sich handelt.
Allerdings begeht der Film später mit dieser Besetzung und auch dank dem Drehbuch mit Seneca zusammen Selbstmord. Bis dahin ist längst klar, dass alles nur leeres Geschwätz ist. Damit füllt der Film seine lange Endstrecke vom Moment des ersten Auftrittes von Killer Felix in Senecas Villa bis zum erfüllten Selbstmord anderen Tages nach unendlich viel Gewimmere des doch sonst so wortgewandten Philosphen.
Zu den Highlights vorher gehört auch die Theateraufführung des Stückes von Seneca über Tiberius, was die These des Filmes auf der Metaebene vorführt. Bis dahin ist man ganz happy, dass trotz deutscher Fernsehkoproduktion auf Moralisches verzichtet wurde; aber dann kommt es doch noch zu einem apokalyptischen Appell. Der Film verbreitet eine geschichtsphilosophisch pessimistische Sicht.