Liebe Angst

Geschichten, die man erzählen muss, solange sie noch greifbar, abrufbar, dokumentierbar sind und die an die furchtbare braune Zeit erinnern, an eine Diktatur des Antisemitismus, des Rassismus, des Hasses, der Hetze, der Denunziation, der systematischen Elimination.

Frühe Verstörung
Protagonistin Lore hat als sechsjähriges Mädchen erlebt, wie ihre Mutter abgeholt wurde. Sie überlebte, weil sie versteckt wurde.

Der Film von Sandra Prechtel, die mit Kim Seligsohn auch das Drehbuch geschrieben hat unter redaktioneller Betreuung durch Rolf Bergemann vom RBB und Britta-Susann Lübke von Radio Bremen und unter dramaturgischer Beratung durch Andres Veiel und Alexandra Sell, zeigt besonders deutlich auf, wie so eine frühkindliche Verstörung, unerklärlicher Verlust der Mutter, sich auf den Rest des Lebens eines Menschen und vor allem auf die nächste Generation auswirkt. Die Traumata des Holocaust.

Die werden besonders deutlich auch bei Lores Bruder Tom, gerade seine Zeichnungen sind ein starkes Symbol seiner Zerrissenheit. Bruder Tom Kübler, Suizid; Trauma der zweiten Generation.
Auch die Lebensläufe der beiden Brüder von Lore kommen ins Spiel, beide sind ausgewandert bis Australien und Papua-Neuguinea; auch ihre Lebensläufe waren beeinträchtigt durch die Traumata.

Lore selbst lebt wie ein Messi inmitten von Stapeln und Behältnissen von Büchern, Notizen, handgeschriebenen Karten mit aus der Zeitung abgeschriebenen Artikeln aller Art; sie wolle ihrer Stadt Bremen etwas zurückgeben für die Rente, sei ihre Begründung für diese Aktivität gewesen. Was Menschen so alles machen.

A motherless Child – Ich grolle nicht,
das singt Kim Seligsohn, die zweite Protagonistin, die Tochter von Lore, sie ist die Tochter einer motherless Mother und dürfte einiges von der Verstörung der Mutter ungeöffnet übertragen bekommen haben. Sicher, das sind Vermutungen, aber naheliegende. Sie hat künstlerische Talente, für das Konservatorium reicht es nicht. Der Vater war bald nicht mehr vorhanden. Missbrauch als Teen im Tanzunterricht.

Double-Feature: Der Film ist nicht nur Holocaust-Aufarbeitungsfilm, er ist auch ein Porträt der Sängerin Kim Seligsohn, die am Drehbuch mitbeteiligt war, die zu sehen ist bei einer Erinnerungsperformance „Berlin erinnert sich, 9. November 1938“, in der die Namen von jüdischen Holocaustopfern vorgelesen werden. Kim setzt auch Textfragmente von Bruder und Mutter musikalisch um.

Dritte Geschichte: Lores Umzug ins Altenheim aus der Messi-Wohnung.

Eine jüdische Familiengeschichte, weit entfernt von dem prallen Leben und dem Erfolg wie es zuletzt in Die Fabelmans zu sehen war oder wie es in Zeiten des Umbruchs geschildert wird. In Deutschland kein Glamour-Faktor, Sozialhilfe, soziale Randfiguren, Psychosen, eine Künstlerin, die sich mit Hundesitten über Wasser hält.

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