Das Blau des Kaftans

Vermeer auf Marokkanisch

Die Assoziation bei der Bildgestaltung könnte aber auch Rembrandt sein bei den Nahaufnahmen der Köpfe und wie sie vor dunklem Hintergrund weich beleuchtet sind.

Vermeer aber meldet sich lautstark beim ersten Blick auf das Blau des titelgebenden Kaftans, es erinnert an das Blau des Turbans des Mädchens mit dem Perlenohrgehänge. Auch wenn Mina am Fenster steht und ihre vielleicht letzte Zigarette raucht, drängt sich Vermeer auf, genauso wie bei den Details, den Nahaufnahmen, die an niederländische Stilleben aus der Renaissance erinnern. Ein Gemäldefilm. Interieurmalerei. Ein Textilfilm.

Es geht um Stoffe, um die Liebe zum Stoff und darüber um die Liebe zu den Menschen nicht weniger als die Liebe zu einem ruhigen, klaren, einfachen Kino, das eine große Geschichte erzählt, als deren Zentralrequisit der blaue Kaftan dient. Diesen soll Halim (Saleh Bakri) schneidern, der ein Maalem ist, ein Schneidermeister nach alter marokkanischer Tradition, und der diese gewissenhaft weiterführt, auch wenn diese Handwerk heutzutage keine besondere Wertschätzung mehr hat bei den Kunden.

Halim betreibt seine kleine Werkstatt mit seiner Frau Mina (Lubna Azabal). Diese ist todkrank. Wieder haben sie einen jungen Mann, der das lernen soll, angestellt. Es ist Youssuf. Mina meint, auch der würde nicht lange bleiben, keiner der Jungen interessiere sich für so einen mühsamen Beruf.

Liebevoll ruhen die Augen von Halim auf Youssef (Ayoub Missioui). Der Zuschauer weiß bis dahin, dass Halims Interesse Männern gilt, das erfährt er bei einem Besuch Halims im Hamam. Halim hat seine Geschichte.

Maryam Touzani erzählt diese Coming-Out-Geschichte so behutsam, wie Halim mit den kostbaren Stoffen umgeht und genau so liebevoll und wendet sie zu einem arabischen Märchen. Der Tod wird hier zum Befreier von einer doppelt schweren Last.

Mit unendlich viel Liebe zum Kino, zu den Stoffen, zum Schneidern, zu den Menschen, zur arabischen Kultur. In Bildern, ausgeleuchtet wie in der holländischen Renaissance-Malerei.

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