Weißen alten Mannes sentimentaler Rückblick auf Kindheit und Jugend
Steven Spielberg, der mit Tony Kushner auch das Drehbuch geschrieben hat, malt sich mit bekannt feiner und vornehmen Kinohandschrift seine Kindheit in den frühen 50ern und seine Jugend in den frühen 60ern kinoweich und kinogesättigt aus.
Erst kommt das Kino, dann das Judentum. Der Film fängt 1952 an, da dürfte Steven etwa 6 Jahre alt gewesen sein. Die Familie geht ins Kino, schaut sich einen Katastrophenfilm an, eine Zugkatastrophe wie jüngst im Weißes Rauschen von Belang war.
Ein Zug fährt in einen PKW rein und entgleist. Junior Sam, so nennt sich der junge Spielberg, wird zu Weihnachten eine elektrische Eisenbahn geschenkt bekommen, wohl mehr aus Vaters (Paul Dano) Interesse daran, und er wird davon träumen, den Unfall nachzustellen.
Mutter (Michelle Williams) hat die blendende Idee, damit die teuren Züge nicht dauernd kaputt gehen, den Unfall einmal zu filmen, die Familie verfügt über die nötigen Apparaturen, damit Sam das Geschehen immer wieder anschauen kann. Ihn haben Katastrophenfilme – später Indianerfilme – geprägt.
Das Genre des Biopic oder der Familiengeschichte ist nicht das, womit Spielberg seine größten Erfolge gehabt hat. Es kommt bei ihm alles wie in einem geleckten Hochglanzmagazin daher, Dreck ist nicht dreckig, alles ist filmschön und auch eine Prügelei sieht mehr nach Choreographie, denn nach brutaler Gewalt aus; insofern ein schmerzfreies Movie, wenn man mit einem der jüngeren Autobiopics vergleicht, mit Zeiten des Umbruchs von James Grey, einer deutlich präziseren, auch psychologischen Beobachtung, auch durch die Auswahl des Castes und entsprechend schmerzhaft.
Bei der Familie Fabelman gibt es eine bemerkenswerte Ménage-a-trois, praktisch mit ihnen zusammen lebt Onkel Bennie (Seth Rogen); der gehört zur Familie, Vaters bester Freund. Aber da wird noch mehr zu finden sein, was in den 60ern, wenn die Familie in Arizona wohnt und der halbwüchsige Sammy (Gabriel La Belle) mit seinen Geschwistern und Freunden Indianerfilme dreht.
Spielberg ist wie immer sehr präzise in der Darstellung der technischen Gegebenheiten zum Thema Kino; auch jede Menge Vorbilder sind in Plakaten anzutreffen. Geschmerzt muss ihn haben, dass wie die Familie wegen Vaters Karriere (Computer) nach Kalifornien gezogen ist, er von den Mitschülern als Jude gehänselt und diskriminiert wurde; ein Schmerz, den Spielberg bis heute nicht verarbeitet zu haben scheint – nebst der Geschichte mit Onkel Bennie und der Trennung der Eltern.
Die Naturaufnahmen sind romantisch, Licht allerorten, kein Dunkelstellen, keine Düsterstellen. Onkel Boris (Judd Hirsch) hat einen bemerkenswerten Auftritt und impft dem kleinen Sammy Weisheiten über den Zirkus und das Kino und die Kunst ein: „We are meschugge for arts“.
Die entscheidende Lektion allerdings erlebt Sammy kurz vor dem Ende dieses Biopics. Beim ersten Gang nach Hollywood bei einer Begegnung mit John Ford (David Lynch), der ihm das Geheimnis des Kamerahorizontes verrät. Und wie war der in diesem Film, haben wir darauf geachtet? Es ist ein netter Film, der zum Kichern und Schmunzeln was gibt – eine feine Art der Ironie, und der sich von den schnöden Konflikten und Problemen des Alltags wegwendet. Schmerzfreikino – Ibuprofenkino.