Tar

Hammerhartes Porträt einer Karrieristin

Emanzipation. Frauen werden Dirigentinnen. Das war lange Zeit eine exklusive Männerdomäne. Mit der Gleichberechtigung im Job kommt auch die Gleichberechtigung in den Karriereproblemen und den entsprechenden Krisen. Einebnung des Geschlechterunterschiedes auf professionell-karrieristischer Ebene.

Zu fragen wäre höchstens, ob Frauen spontan anders drauf reagieren, wenn die Karriere erst mal in Trümmern liegt. Das heißt aber vorgreifen.

Todd Fields Protagonistin und über weite Strecken die Solodarstellerin ist Cate Blanchett als die Weltstardirigentin Lydia Tar.

Tar ist eine moderne Lesbe, lebt in Berlin mit ihrer Frau Nina Hoss als Sharon Goodnow zusammen; sie haben ein gemeinsames Töchterchen. Lady Tar dirigiert die Berliner Philharmoniker, Nina Hoss spielt dort Geige. Eine Liaison, die durch den Beruf zustande gekommen ist und der Film zeigt auch, dass das Musikgeschäft nicht unsensibel ist für fleischliche Beziehungen, speziell, wenn es um Frischfleisch geht.

Das Drama um die Topdirigentin, die oft im Privatjet über dem Atlantik unterwegs ist, braucht einen langen Anlauf. In dieser ersten Phase ist Lady Tar zu erleben, wie sie eine Masterclass gibt; hier lässt sie verfänglichen Branchensprech vom Stapel, der sie noch einholen wird.

Der Film ist über diese erste Strecke ein gigantisches Solo für Cate Blanchett. Inhaltlich wird die Berufssphäre definiert, die Gespräche drehen sich um die Musik, um Dirigenten, um die Musikgeschichte; musiktheoretische und musikhistorische Erörterungen dominieren; hier wirkt der Film noch als wolle er ein reiner Insiderfilm sein. Aber auch: hier wetzt der Film seine Messer; genau damit legt Todd Field den Boden für die Glaubwürdigkeit, für Realitätsnähe, positioniert sich der Film durch die Fachgespräche in der Nähe einer Dokumentation; was den sich anbahnenden dramatischen Entwicklungen Power, Kraft, Stärke verleiht; es geht um Intrigen und Positionen im Orchester, um harte Entscheidungen der Dirigentin, besonders wie das junge Frischfleisch Olga Metkin (Sophie Kauer) an der Bratsche auftaucht, was auch die Dirigentin nicht kalt lässt.

Somit kristallisiert Todd die gesamte Härte dieses Geschäftes, bei dem es um Ruhm und Geld und eben auch um fleischliches Begehren geht, thrillerhaft spannend heraus. Todd durchleuchtet mit Röntgenblick das doch so strahlende Klassikbusiness auf seine schauderhaften Hinter- und Abgründe. Vom Glamour-Faktor solche Positionen bleibt nicht viel übrig. Und man wundert sich gefließentlich, warum denn an klassischer Orchestermusik so schön sein soll, wenn doch ihr Unter- und Hintergrund so schauderlich ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert