Wo ist Anne Frank

Das zweite Leben der Anne Frank –
Eine Belohnung

ist ausgesetzt für die Wiederbeschaffung des aus dem Anne-Frank-Museum in Amsterdam verschwundenen Original-Tage-Buches von Anne Frank. Die Plakate hängen überall. Das Amsterdam von heute ist zugeklebt mit den Fahndungsplakaten.

Die Stadt Amsterdam ist beschäftigt mit Flüchtlingen einerseits und mit der touristischen Vermarktung der Attraktion Anne Frank andererseits. Jedes Haus hier heißt Anne Frank, jede Firma hat Anne Frank in ihren Namen integriert. Das Anne Frank Theater spielt das Stück Anne Frank. Das Anne Frank Business brummt in Amsterdam.

Lange Schlangen bilden sich vor dem Museum, dem Haus, in dem Anne Frank und ihre Familie sich versteckt haben vor den Nazis.

Der Zuschauer erfährt mehr über den Verbleib des Tagebuches, das aus dem Museum verschwindet, eine Katastrophe für das Geschäft. Kitty, die imaginäre Freundin von Anne hat sich aus den Buchstaben materialisiert und begibt sich höchstlebendig in unsere Zeit, aber auch in die Rückblenden, die von der Entstehung des Tagebuches und von den beengten Verhältnissen zusammen mit einer anderen Familie erzählen.

Ari Folman (The Congress) frischt mit dieser ereignisreichen Animation, die zwischen den Zeitebenen hin und her springt, die Erinnerungskultur kräftig auf, modernisiert das Gedenken, bewahrt es vor dem Absturz in gedenkredenbedröppelte Routine.

Zuletzt gab es hier von Hans Steinbichler den Spielfilm Tagebuch der Anne Frank. Der ist mehr in Erinnerung geblieben als ein Projekt, um Subventionen abzugreifen.

Bei Ari Folman wird das Museum ins pulsierende Leben hineingeworfen, wird das Museum gründlich entstaubt, das Gedenken vermenschlicht, verheutigt. Dadurch macht stärker noch als mit jedem Pathos Ari Folman klar, wie wichtig und wie beindruckend dieses Tagebuch ist. Und verdeutlicht nebenbei, wie doch die Vorstellungskraft, konkret die Imaginierung der Freundin Kitty durch Anne, mehr helfen kann als jede Medizin.

Es gibt die Träume von der Freiheit, von Leichtigkeit, seien es die vereisten Grachten zum Schlittschuhlaufen oder ein selbstgebastelter Zeppelin. Andererseits erhält der moderne Begriff der Abschiebung eine brutal düstere Färbung. Und nochmal andererseits: mit Fantasie lässt sich auch Erinnerung ans Unerträgliche erträglich machen.

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