Der Literatur hinterherfilmen
oder
das schwarze Kaninchen
Mit dem Film Als Hitler das rosa Kaninchen stahl hat dieser Film von Sonja Heiß (Heidi Schneider steckt fest) nach dem autobiographischen Roman von Joachim Meyerhoff nichts gemeinsam, außer dass bei ihr ein schwarzes Kaninchen vorkommt, was auch weiter ohne Bedeutung ist.
Gemeinsam scheint mir eher, wie unter deutschen Subventionsbedingungen mit mehr als einer Handvoll Fördergremien aus erfolgreicher Literatur Film gemacht werden soll: indem nämlich das Kino der Literatur hinterherhechelt; indem das Kino sich die Literatur vornimmt, das Buch Seite für Seite durchgeht und schaut, was es daraus an Filmszenen kondensieren kann, oft und gerne mit austauschbaren Fülltexten aufbereitet, wie sie in den Vorlagen kaum vorkommen dürften wie „Guten Morgen“, „Guten Morgen“, „Haben Sie gut geschlafen?“, „Jetzt geht doch auf Euer Zimmer“, „Jossie, ist alles gut?“, „Was ist denn passiert?“, „Was machen wir denn jetzt“, „Warst Du denn glücklich da?“, Texte, die einem Film enorm viel an Exklusivität wegnehmen, die ihn in die Nähe schnell gemachter TV-Ware rücken.
Der Film schildert in drei Phasen die Entwicklung des Erfolgsautors Joachim Meyerhoff als drittem Sohn eines Professors (Devid Striesow) und seiner Frau (Laura Tonke), der in Schleswig-Holstein einer Anstalt für Behinderte vorsteht.
Es gibt schöne Backsteinbauten zu sehen. Kindheit, Jugend und Erwachsensein sind die drei Kapitel, in denen jeweils andere Darsteller die drei Buben spielen.
Das vielleicht größte Manko dieser Verfilmung nach Vorlage scheint mir, dass wenn der Bub Joachim die Welt so gesehen und erlebt hätte, wie sie hier geschildert wird, er nie zum Autoren geworden wäre – Beispiel, die Szene, in der Vater sich rasieren will, oder jene, in der Joachim in Anwesenheit eines Mädchens Yogurth auf seine Kleidung verkleckert; kommen arg hilflos rüber und erzählen so gar nichts über die Weltperzeption des Protagonisten; das zu ermöglichen sind Chance und Schwierigkeit des Mediums Film. Diese ist hier vertan.
Sicher werden Leute, die das Buch begeistert gelesen haben, durch den Film an dies und das erinnert; andererseits ist der Film nicht so gemacht, dass man das Gefühl hat, man müsse unbedingt das Buch lesen. Es wird eben nur illustriert. So bleibt der Film lediglich nett. Das fehlt mir total, dieser Blick eines Buben, dann eines Heranwachsenden auf die Welt um ihn herum. Diese wird sozusagen so geschildert wie in einem Tatsachenbericht und doch nicht realistisch genug, der Film nutzt das theatrale Angebot, was Behinderte filmisch liefern. Dadurch zutiefst verunsichert in seiner Intention, versucht er, mit meist unpassend lauter und ebenso unpassender Musik drüberhinwegzutönen.
Striesow und Tonke machen das gut mit diesen Rollen über Jahrzehnte, besonders in der Szene mit dem heftigen Wind kurz vor Schluss, bietet Striesow große Schauspielermomente. Auch der Schleswig-Holsteiner Lokalmatador Axel Milberg arbeitet mit kleinen Gesten und Blicken die Charakterlosigkeit einer Ministerpräsidentenfigur hervorragend heraus.
Generell gelingt der Regie mit gut ausgewählten Darstellern Dichte. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verfallszeit dieses Filmes nicht allzu groß sein dürfte, zu ängstlich klammert er sich an die finanzierungsbedingte Gremienkompatibilität.