Er flog voraus – Karl Schwanzer / Architektenpoem

Der Vierzylinder

Als Münchner ist man vielleicht besonders angefixt von dieser Doku von Max Gruber.

Sie handelt von dem Architekten, der eines der wenigen Architektur-Highlights der Moderne in München geschaffen hat, den BMW-Vierzylinder. Der gehört längst zur Identität der Stadt wie die Türme der Frauenkirche oder der Englische Garten.

Was muss damals in den frühen 70ern eine Lokalbaukommission noch mutig gewesen sein und so etwas erlaubt haben; wenn man beim Drohnenflug um das Gebäude im Hintergrund das hässliche, unpassende O2-Hochhaus sieht, besonders wenn man sich vorstellt, dass noch weiter hinten die zwei noch hässlicheren, ökologisch gestrigen Paketposthallentürme geplant sind.

Allein dieser Vergleich aus München macht einem die Einmaligkeit des Architekten Karl Schwanzer bewusst, der sich kaum einer Architektenschule oder -stilrichtung zuordnen lässt, der offenen Geistes die Welt erkundet, ein Ideenfänger und Ideenverdauer, ein Ideenentwickler, undogmatisch, unkonventionell.

Max Gruber versucht mit seiner Doku als einem Architektenpoem dieser Einmaligkeit gerecht zu werden. Er lässt den Wiener Burgschauspieler Nicholas Ofczarek die Rolle des Architekten spielen, lässt ihn durch Schwanzer-Räume schreiten, lässt ihn aus dessen Texten vorlesen oder zitieren. Er unterschneidet die unvermeidlichen, kompetenten Talking-Heads, die er in elegante Locations platziert, mit Archivmaterial des Architekten und setzt dazwischen graphische Spielereien.

Selbstverständlich gibt es nicht nur Einblicke in den BMW-Vierzylinder, sondern auch überraschende Infos zur Entstehung der Idee und dann noch wie Schwanzers Büro den Wettbewerb für sich entschieden hat, da kam eine Idee zur anderen. Da waren die Zeiten vielleicht günstig für progressive Pop-Architektur.

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