Close

Pointillistisches Storytelling

Close, nah, ist nicht nur Titel im Film von Lukas Dhont, der mit Angelo Tijssens auch das Drehbuch geschrieben hat, nah ist auch die systematische Erzählmethode. Sie ist immer nah dran, verzichtet auf jegliche Art von Establishing Shots, von Rahmen der Erzählung.

Fast vernarrt scheint der Regisseur in die Welt seiner beiden Protagonisten, den etwa 12-, 13-jährigen Jungs Léo (Eden Dambrine) und Rémi (Gustav De Waele). Sie sind unschuldige, ahnungsvolle Bubenfreunde, Jungsfreunde. Eine Freundschaft, zwischen die kein Blatt passt.

Lukas Dhont ist immer nah an den beiden dran, beim Blumenpflücken, beim Radfahren, in der Schule, zuhause, wenn der eine beim anderen übernachtet, wenn der eine den anderen beobachtet.

Dieses Punktuelle als Erzählstruktur, das meine ich mit Pointillismus, es entsteht so ein Gesamtbild wie bei den Pointillisten, aus lauter einzelnen Eindrücken – Farbtupfern, Erzähltupfern – zusammengesetzt, ein heiter-helles Bild.

Es gibt zwar Unterschiede der beiden Freunde, Rémi ist der musisch begabte, Léo spielt den harten Männersport Eishockey und auf die Frage von Mädchen in der Schule, ob die beiden ein Paar seien, verneint er energisch.

Es ist ein Film, der sich im Gefühligen suhlt, der das Unausgesprochene, das schwer Auszusprechende bebildert. Es ist ein Film, der so eine Jugendfreundschaft vollkommen anders schildert als Acht Berge oder Zeiten des Umbruchs. Hier entsteht das Drama aus anderen Gründen, aus Gründen der weißen Vorherrschaft in Amerika zerbricht die Freundschaft der beiden ungleichen Freunde Paul und Johnny.

Im Film von Lukas Dhont ist es die Liebesgeschichte selber, die der eine nicht aushält, vielleicht auch das nicht Erklärte, das nicht Besprochene, das den einen Verzweifeln lässt. Warum der eine Angst hat davor, das muss sich der Zuschauer selber zusammenklamüsern.

Es ist die Geschichte des Anfanges eines hochsensiblen Coming-of-Ages von zwei Jungs, das in die Randbezirke und weiter des Suizidalen führt. Es ist ein unerklärlicher Bruch in einer Beziehung, wie er gerade in The Banshees of Irisherin in der Erwachsenenwelt und aus heiterem Himmel vorgeführt wird.

Es ist eine Erzählform, die Platz für das Werweißen lässt, eine Erzählform beiläufigen Beobachtens, hochartifizeller Misen-en-Scene; die kommen nicht zusammen, um eine Liebesszene zu spielen oder dergleichen, sie tun, was Schuljungs tun und der eine darf beim anderen übernachten, alles höchst normal und selbstverständlich.

Der Film erhascht so aber auch immer Momente, die verdeutlichen, wie sensibel diese Freundschaft ist, was für Gefühle in diesem Alter noch unbekannt, aber am Erwachen sind, fast könnte man meinen, der Film verlustiere sich voyeuristisch, gar exploitativ daran bis zur Ekstase. Oder er sprüht dieses Gefühl wie ein besonders kostbares Parfüm auf die Leinwand. Ohne die dunkle Seite bei dem vielen Licht zu vernachlässigen.

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