Babylon – Rausch der Ekstase

Volle Kinopulle voran

Aus vollen Kinorohren schießt sich Damien Chazelle (La La Land, Aufbruch zum Mond, Whiplash) auf ein Stück Hollywoodgeschichte ein, die Zeit des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm.

Das Zeitstück hat schon The Artist brillant behandelt und brillant nimmt es sich Chazelle nun vor. Ihn interessieren weniger Glanz und Ruhm des Filmgeschäftes, sondern sein Absturz, seine verkommenen Innereien.

Es ist also nicht ein Kino, was sensibel den Gefühlen eines Menschen, den Gefühlen eines Menschen für einen anderen Menschen folgt, sondern mit sich selber und seiner Kehrseite beschäftigt ist, wie toll Kino sein kann, wie grandios zum Schildern auch seine Negativseite.

Es ist also weder Thriller noch Drama, weder Comedy noch Romantic Comedy. Es ist gewissermaßen ein Fachfilm, am deutlichsten in der ausführlichen Szene des Drehs einer der ersten Tonaufnahmen mit all ihren Pannen und Fallen, das ist unterhaltsames Museum.

Es gibt einen Führer durch diese Besichtigung Hollywoods, das ist der Schauspieler Diego Calva, der groß-wunderäugig den Mexikaner Manny Torres spielt und wie die Mutter zum Kind zum Kino kommt. Er soll für eine exzessiv-dekadente Party in der Steinburg von Trutz- und Protzvilla des Produzenten Jack Conrad (Brad Pitt) als Überraschung einen Elefanten vorbeibringen; auf der Party laden Schneeberge zum Schniffen ein. Mit der Elefantentransportszene erheitert der Film gleich zu Begin das Zuschauergemüt.

Torres bleibt beim Film hängen. Kurz nach ihm trifft die voll von sich überzeugte, attraktiv rot und leicht gekleidete Nellie (Margot Robbie) gleich mit einem Crash am Partyort ein. Beide stehen vor der Tür, das schweißt zusammen, ausreichend für einen dreistündigen Film.

Schauspielerisch sind Pitt, Robbie, Calva das eminente Protagonisten-Trio. Sie werden ergänzt durch eine Riege prima gecasteter, eingkleideter, geschminkter und exquisit charakterisierter Sidekicks von J. C. Currais als mit einem Elephanten auf der Ladefläche überfordertem LKW-Fahrer über Olivia Wilde als Gattin Ina von Jack Conrad zu Jean Smart als exzentrischer Filmkritikerin Elinor und last not least Jovan Adepo als Trompeter Sydney Palmer, dem ein grauenhafter, dem Rassismus geschuldeter Schminkfall zugemutet wird, das Diktat Hollywoods, dem die Schwarzen offenbar nicht schwarz genug sein können.

Es geht wüst zu und her auf den Partys, sämtliche Kinogewerke rühren mit großer Kelle an.

Conrad und Nellie sind zwei Musterbeispiele für den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Conrad ist bereits erfolgreich, schon runtergekommen, dreht Kostümfilme und erlebt ein Desaster sondergleichen bei der Premiere einer Liebesszene in seinem ersten Tonfilm. Nellie dagegen springt mit nichts außer der Überzeugung, ein Star zu sein, unverbildet in einen Dreh ein und aus dem Glauben wird Realität.

Das Stummfilm-Setting mit mehreren Paralleldrehs in der Wüste fasziniert durch den unglaublichen Radau, der überall herrscht.

Der Film schreibt sich über ein paar Jahre von 1926 bis 1932 fort, in denen macht Torres Karriere als Produzent und je länger der Film dauert, desto mehr schleicht sich das Melo-Genre ein und treibt das Dreistundenwerk dank der mächtig orchestrierten Musik von Justin Hurwitz, der dem Sound von damals eine Zusatzprise pfiffigen Peps verleiht, auf ein kinorauschhaftes, schwindelerrgendes Ende zu.

I knew Proust. And me Bauhaus. Und wem das zu wenig ist, der darf die Klapperschlange in der Wüste herausfordern.

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