The most beautiful Boy in the World

The Dark Side
Boyploitation

Die dunkle Seite, das Geheimnis, die Defekte, die waren schon da bei Björn Andrésen als Lucino Visconti sich 1970 nach Schweden aufmachte, um einen Tadzio für seine später weltberühmte Thomas-Mann-Verfilmung „Der Tod in Venedig“ zu finden.

Die dunkle Seite, das war das Verschwinden seiner Mutter; einfach so war sie weg, ohne Brief, ohne Abschiedsgruß. Ein Jahr später wird sie im Wald gefunden. Die dunkle Seite, das ist auch, dass Björn nie erfuhr, wer sein Vater ist. Künstlerisch veranlagt war seine Mutter. Dann wuchs er bei der ehrgeizigen Großmutter auf, einer Schmalfilmerin. Ihr ist Material in diesem Film zu verdanken. Sie will, dass Björn berühmt wird. Sie darf am Set in Venedig filmen, erhält sogar eine kleine Rolle.

Jetzt, 50 Jahre später, machen sich Kristina Lindström und Kristian Petri auf den Weg, zu erkunden, was aus diesem damals von einem Tag auf den anderen weltberühmten Jungen geworden ist.

Immer noch zart schaut er aus, sensibel, langes graues Haar, spindeldürre Finger, die dem Klavier schmeichelhafte Melodien entlocken; ein filigraner, musikalischer Mann, der auch einen Jesus spielen könnte. Nach und nach erzählt er aus seinem Leben, nachdem vorerst sein Mietvertrag mit tatkräftiger Hilfe einer Freundin gerettet wird und die Vermüllung der Wohnung nicht mehr zu sehen ist.

Es gibt Bilder vom Casting damals in Schweden. Beim Dreh wird der Junge abgeschirmt. Mit der Premiere wird er der Meute überlassen. Er erzählt von einem Besuch in einem Gay-Club, wie er den Eindruck hatte, die wollten ihn alle verschlingen.

Die dunkle Seite wird durch die Einsamkeit des Startums nur noch stärker spürbar. Kinderstartum ist ein Thema für sich. Wie ein Mensch mit soviel Ruhm umgeht, gerade in der Pubertät.

Björn funktioniert nur noch in der Maschinerie, die sich seiner bemächtigt. In Japan, was er mit den Dokumentarfilmern besucht, war der Hype besonders groß. Es gibt Aufnahmen, auf denen er mit wunderschön heller und leichter Stimme auf Japanisch singt.

Der Film will wohl bewusst nicht einen Wikipedia-Artikel ersetzen. Er interessiert sich dezidiert für diese dunklen Seiten, die möglicherweise durch das Startum extremer zu Tage getreten sind. Wie sein Leben ohne die Entdeckung durch Visconti ausgehen hätte, lässt sich nicht abschätzen. Der Film macht schmerzhaft deutlich, wie die Filmbranche die zufällige und altersbedingte Schönheit eines jungen Mannes skrupellos ausbeutet und wie ihn das bis heute nicht loslässt. Ein Leben, das er schon vor der Filmerei als ‚insane‘ bezeichnet.

Nicht zu vergessen: wir alle, die wir den Tod in Venedig gesehen haben, gehören zu den Ausbeutern von Tadzios Schönheit.

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