Marxistischer Segeltörn
Der Begriff ist schon mal falsch, die Reise im 2. Teil dieses neuen Filme von Ruben Östlund (Play, Höhere Gewalt, The Square) findet auf einer Motoryacht für Superreiche statt. Dass es sich um eine Segelyacht handelt, glaubt lediglich eine der superreichen Passagierinnen, die immer nur einen Satz vorbringt, nämlich dass das Segel, sie meint ein Sonnendach, nicht ganz sauber sei.
Wie Östlund hier auch andere Figuren mit einem Satz ausstattet, die deutsche Zubesetzung aus Koproduktionsgründen, Iris Berben, die sagt immer nur „In den Wolken“ und spielt dabei irgendwas, das nach irgendwas aussehen soll; jedenfalls nett dekorativ für eine in ihrem Reichtum verkommene Gesellschaft.
Die andere deutsche Zubesetzung darf vor allem kotzen, es ist dies Sunny Melles, die damit auch zum Bild einer kaputten Gesellschaft beiträgt. Damit begeistert sie den einen und anderen deutschen Kritiker. Sie wird außerdem als Darstellerin in einem ziemlich raffinierten Product-Placement von Nutella nennenswert (kürzlich bei einem Öko-Test durchgefallen).
Die beiden deutschen Aktricen werden zum wunderbaren Symbol für Glanz und Elend nationaler Zubesetzungen im Koproduktionsgeschäft aus finanziellen Gründen. Wobei exzellente Regisseure immer überzeugende Lösungen finden, wie das knifflige Problem meistern.
Dieser zweite Teil ist auch derjenige, in welchem die geistige Fundierung für den Film, der eher wie eine Abenteuerreise à la Jochen Schweizer daherkommt, diskutiert wird: Sozialismus, Kommunismus, Marx und Lenin. Es wäre reizvoll, Beispiele von diesen Zitaten hier anzuführen, ging aber zu schnell, um mitschreiben zu können, oh doch, im Trailer findet sich ein Margaret Thatcher Zitat: „Problem of socialism: that you eventually run out of other people’s money“.
Es geht in dem Fim um Herrschaft, Kapital, Dienerschaft, Ausbeutung. Ein Passagier hat seinen Reichtum durch den Verkauf von Scheiße gemacht, wie er stolz erzählt, gemeint ist Kunstdünger. In der Küche singt das Personal die Internationale.
Der erste Teil führt das Thema attraktiv am Marktwert des Körpers eines Menschen ein. Es geht um Castings in der Modebranche, männliche Models, alle supergebaut. Was ist so ein Body, der lasziv über den Laufsteg schreiten muss, wert, ist er es überhaupt wert, angeheuert zu werden? Kann einer bös und ernst schauen, wie die Edelmarken es wünschen oder kann er nur lieblich lächeln für H&M?
Auch der titelgebende Begriff wird erörtert, das Triangle of Sadness, das ist dieser Punkt über der Stirn, der sollte nicht tot sein.
Die Hierarchien an Bord der Luxusyacht jedenfalls sind streng, immer lächeln, immer Ja sagen. Das wird problematisch in dem Augenblick, in dem eine Passagierin von einer Hostess etwas verlangt, was diese mit ihren Dienstvorschriften nicht vereinbaren kann: in den Pool springen.
Im dritten Teil ist die Yacht gesunken, ein Teil der Menschen an Bord kann sich auf eine Insel retten. Hier wird es schwieriger, das Diktat des Geldes, die Hierarchie der Dienerschaft aufrechtzuerhalten; aber elementare Warentauschphänomene sind unausrottbar. Jetzt gewinnt plötzlich das praktisch veranlagte Zimmermädchen Abigail (Dolly De Leon) Macht und kann dafür Sex verlangen.
Die beiden Hauptfiguren sind das männliche Model Carl (Harris Dickinson) und das weibliche Model Yaya (Charibi Dean). Das Verhältnis der beiden reflektiert einen schwer zu schildernden Aspekt von Beziehungen, der oft nicht angesprochen wird und nur selbstverständlich mitschwebt: wer bezahlt? Ihm wird es irgendwann zu doof immer zu bezahlen, weil sie die Rechnungen im Restaurant systematisch übersieht. Andererseits verdient sie weit besser als er, wie überhaupt weibliche Models um ein Mehrfaches besser bezahlt werden als deren männlichen Pendants (ein Thema was auch einmal auf den Tisch gehört). Mit diesem Paar kann sich der Film auf die Luxusyacht begeben, weil sie mit ihrem Partner dort eingeladen ist; es reicht, dass Yaya ihren Blog weiterführt.