Nachbarn – Neighbours

Chronik

der Formung des Bewusstseins des Erstklässlers Sero im unlösbaren gordischen Knoten des Nahostkonfliktes.

Mit großer Sorgfalt schildert Mano Khalil (Der Imker) all die widersprüchlichen Einflüsse, denen der mit Serhed Khalil prächtig besetzte Sero im ersten Schuljahr in der abgelegenen syrisch-kurdischen Provinz Kamishli ausgesetzt ist in einer Zeit vor 40 Jahren als noch Hafez al Assad der syrische Tyrann war.

Das Dorf, in dem Sero aufwächst, ist kurdisch; es liegt an der Grenze zum Irak. Dort gibt es Wachtürme und Stacheldrahtzaun. Einmal im Jahr sind Besuche von Verwandten an der Grenze möglich, nur eine der grausamen Szenen, wie die Verwandten sich durch Stacheldraht hindurch begrüßen und sich grad mal ein paar Minuten austauschen dürfen.

Im kleinen Dorf oder dem Weiler, in dem Sero aufwächst, kommt ein neuer Lehrer (Jalal Altawil) an, der Genosse Lehrer. Der ist streng in Richtung Baath-Partei, Revolution und Präsident Hafiz al Assad. Er soll die Kurden arabisieren.

In der Schule darf nur arabisch gesprochen werden. Sero versteht anfangs kein Wort. Die Lage ist komplizierter insofern, als die Nachbarn von Sero jüdisch sind. In der Schule wird der Jude und die Entität, die die Palästinenser unterdrückt, als Feindbild gepredigt. Die Schüler sollen Vorschläge machen, wie sie Juden beseitigen können.

Es gibt eine Strohpuppe, die in einem Theaterstück diesen Staat symbolisiert. Das Stück soll aufgeführt werden für die Parteidelegation, die zur Einweihung der Elektrizität erwartet wird. Das ist ein dramaturgischer Faden, an dem die Chronik aufgesponnen wird, die Erwartung der Elektrizität. Für Sero von besonderer Bedeutung, da er sich auf die Comics im Fernsehen freut.

Um diesen Story-Faden herum werden all die Welt-Konflikte, die in diesem abgelegenen Flecken Erde sich bemerkbar machen, wunderschön erzählt.

Die beiden Frauen des Nachbarn wollen auswandern. Dazu brauchen sie Pässe. Eine Untat der irakischen Grenzwächter lässt Möglichkeiten aufscheinen. Andererseits wird das Leben der Kinder geschildert als so frei, wie man es sich heute in einer Stadt nicht mal mehr zu erträumen sich traut.

Die Kinder spielen mit Landminen, oder testen den Alphabetisierungsstand des Schulwartes (Mazen Alnatour), eines dumpfstrammen Parteigängers. Es ist enorm viel an widersprüchlichen Eindrücken, die auf den Buben einprasseln zum unsäglichen Schmerz über das Schicksal der Mutter.

Als Icherzähler ist aber herauszuhören, da er dies alles im Rückblick vorüberziehen lässt, dass er es offenbar gut überstanden hat und auf keinerlei Hass- oder Parteiideologie hereingefallen ist; vielleicht war der Einfluss von Hamo Zhirek, dem kritischen Alten, doch der prägendste.

Poetisch wirkt der Himmel, der mit lauter Ballons in den Farben Kurdistans gefüllt ist: Rot, Gelb, Grün.

Es gibt auch schräge Einsprengsel, die Geschichte mit der Palme oder der schier irre Imam mit seiner Krächzstimme oder eben der Alphabetisierungstest mit dem Schulwart oder auch das Aufkochen von Batterien, um deren Leben zu verlängern.

Ein ansatzweise didaktischer Ansatz, was die Erzählung spannend macht.

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