Delia’s Gone

„Es gibt ein Land jenseits des Flusses“,

so fängt ein Lied an, das Louis (Stephan James) mit seiner Schwester Delia (Genelle Williams) gemeinsam am Klavier sitzend singt. Es ist das pure Glück im Leben von Louis, denn außer seiner Schwester hat er niemanden mehr und nach einer Schädigung des Hirnes muss er streng diszipliniert leben: regelmäßig Pillen nehmen, exakt um 21.30 Uhr zu Bett gehen und absolut keinen Alkohol trinken, da er sonst die Kontrolle über sich verliert.

Als Menetekel droht über dem Glück von Louis, dass seine Schwester die kleine Ortschaft in Ohio verlassen möchte, er allein bliebe. Sie versucht, ihn zur Selbständigkeit zu erziehen.

Eines Abends will sie ausgehen und auch Louis mitnehmen. Dieser weigert sich standhaft, kann aber zuhause dem Alkohol nicht entsagen. Am nächsten Morgen wacht er in einer verwüsteten Wohnung auf, mittendrin liegt Delia, tot.

Louis nimmt die Schuld auf sich, geht für Jahre ins Gefängnis und findet an einem anderen Ort in einer betreuten Einrichtung seinen Frieden. Aber wie es sich für ein konsequent gearbeitetes Drama wie dieses gehört, das Robert Budreau (Born to be Blue) nach einer Geschichte von Michael Hamblin prima zum dichten Drehbuch umgearbeitet und entsprechend dicht inszeniert hat, kann das Glück nicht von Dauer sein, wäre auch zu langweilig für einen Film, es taucht die Vergangenheit in Person von Stacker (Travis Fimmel) auf und beunruhigt Louis im Tiefinnersten, so dass er zurück in seine frühere Heimat fährt, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, das sichere Korsett seiner Alltagsroutinen verlassend, das ist höchst riskant.

In seinem früheren Wohnort trifft er auf bekannte und unbekannte Figuren, die Delia zuletzt noch gesehen hatten: Nicht-Mehr-Sheriff Fran (Maris Tomel), eine unsympathische Figur, der das Recht nicht das oberste Gebot ist, auf Sheriff Bo (Paul Walter Hauser), der zwar nach Bequemlichkeit und Gemütsmensch ausschaut, aber mit dem es ein Verbiegen des Rechtes nicht gibt; ferner spielen merkwürdige Rollen auf dem Weg zur Wahrheit Larry (Hamza Haq) und Lyle (Billy MacLellan). Alle in dieser einmaligen Umgebung, wo zwischen Häusern und Landschaft irgendwie kein Unterschied ist, die Einsamkeit, Unversorgtheit und Provinz darstellen, wie es im amerikanischen Kino nicht eindrücklicher geht.

Es ist ur-amerikanisches Kino wie aus dem Kernland, ganz ironiefreies Drama, eher mit Sendungsbewusstsein für die Wahrheit, aber auch mit hohem Bewusstsein für den Stellenwert eines Drehbuchs und entsprechendem Können ausgezeichnet. Die Musik unterstützt dramatisierend das eh schon gut gebaute Drama. Und wer wollte Louis‘ Erkenntnis nicht beipflichten, dass die Welt nicht korrekt sei. Das ist der Stachel im Fleisch – auch dieses Dramas.

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