Feddersens vom Gasthof Brinkebüll
Seit Generationen bewirten die Feddersen den Gasthof im deutschen Flachland, wo man Plattdeutsch spricht.
Einzig Sohn Ingwer (als Erwachsener gespielt von Charly Hübner) bricht aus, studiert in Kiel, wird Professor. 2012 lernen wir ihn bei einer Vorlesung kennen. Er lebt mit Ragnhild (Julia Jenkins) zusammen. Wie aus heiterem Himmel verabschiedet er sich von ihr, er müsse jetzt für mindestens ein Jahr seine Eltern auf dem Gasthof pflegen.
Keine Bange, es wird kein deutscher Themenfilm zum Thema Pflege, obwohl eine typische Szene vorkommt, wie Ingwer seiner Mutter (Hildegard Schmahl) auf der Toilette behilflich ist. Sowieso leidet sie an Demenz, reißt immer wieder aus. Das ist die Heute-Ebene des Film von Lars Jessen nach dem Drehbuch von Catharina Junk nach dem Bestseller von Dörte Hansen.
Die Schilderung geht über zwei Generationen, wirft einen kurzen Blick auf 1965, springt dann gleich nach 1976 und zur Vorlesung von 2012 an der Uni. Ab da hupft er zwischen den Zeitebenen hin und her.
Eine Generationengeschichte mit Rückblenden in die Jugend von Ingwer, die 70er Jahre. Es gab noch eine Schwester Marret (Gro Swantje Kohlhof). Die war gemartert von Weltuntergangsvisionen. Die erhalten Nahrung durch einen Auftritt der Zeugen Jehovas, durch Militärflugzeuge am Himmel oder dadurch, dass in einem Jahr die Störche nicht im Dorf nisten.
Der Roman scheint episch zu schildern, wie sich die moderne Zeit auf so ein Dorf auswirkt. Das Thema der Flurbereinigung spielt eine Rolle, es gab ein Hügelgrab oder Straßen werden geteert.
In der Heutezeit beschäftigt die Eltern von Ingwer, vor allem den Vater, das Thema der Gnadenhochzeit, das 70-jährige Ehejubiläum. Die Ehe scheint lange kinderlos gewesen zu sein. Eine späte Szene auf dem fein gepflegten Friedhof zwischen Mutter und Sohn wird unverhoffte Einblicke gewähren.
Sympathisch am Film ist, dass viel Plattdeutsch gesprochen wird und für uns Bayern extra mit Untertiteln versehen. Es wird aber auch eine hochdeutsche Variante geben, die eigens gedreht worden ist.
Und doch fremdle ich als inzwischen eingefleischter Bayer mit dem Film. Wohl weniger mit dem Plattdeutschen, obzwar mit dem auch, weil mir das extrem ausgestellt scheint. Aber auch die Hauptfigur, die mir auf dem Plakat etwas unglücklich dargestellt scheint mit den anderen Protagonisten auf den Bauch fotomontiert, wobei jeder in eine eigene Richtungs schaut, also überhaupt kein Bezug der Figuren untereinander abzulesen ist, außer dass Ingwer als Akademiker in gewisser Weise ein Fremdkörper ist. Aber auch der bleibt mir in der Darstellung von Charly Hübner unzugänglich. Er legt ihn an als der unauffällige Alkoholiker, oft mit diesem irren Blick, mit diesen ruhig gesetzten Bewegungen, die über allfällige Bewegungsunsicherheiten hinwegtäuschen sollen. Kein Wunder bei der Herkunft, wo alle paar Augenblick ein Kurzer getrunken wird.
Ein Problem könnte auch das Drehbuch sein, das Szenen aus dem Roman für den Film umgeschrieben hat, was ein Element des Kinos aber völlig außer Acht lässt, die Wahrnehmung des Zuschauers, die anders ist als die eines Lesers. So werden sie für Kenner des Romans vermutlich plastisch, vertraut, für den Nichtkenner aber wird es mühsam, sich die Geschichte zusammenzuklamüsern.