Atlantide

Wer sein

Der grad so ausgewachsene Mann möchte wer sein. Er möchte seinen eigenen Kopf haben. Sein Spielzeug ist ein Motorboot. Er möchte respektiert werden.

Der so spricht, ist Daniele (Daniele Barison). Noch muss er beim Opa in der Landwirtschaft mithelfen. Aber sonst ist Zeit. Zum Rumhängen, Schwimmen, Motorboot fahren.

Der Film von Yuri Ancarani kann fast als klassisches Drama gesehen werden mit Prolog, 3 Akten und dem Epilog.

Der Prolog spielt in einer Lagune, eine Traumlandschaft wie Atlantis. Erst nach einer gewissen Zeit kommen die dunklen Zypressen von San Francesco del Deserto vor Venedig als Hinweis auf die dunkle Seite ins Bild.

Die ersten Szenen sind erotikgeschwängerte Ruhe, Sonne, Wasser. Ein junger Mann liegt in einem verglasten Raum auf einen Steg. Liegt und tut nichts. Junge Frauen springen draußen ins Wasser. Die Luft ist gerade durch die wenige Action durchdrungen von Ahnung und Zukunft. Wobei Jungs und Frauen vorerst unschuldig sich des Wassers erfreuen. Eine Stimmung und eine Atmosphäre vielleicht wie bei Cesare Pavese.

Der erste Akt des Dramas könnte als die Liebe zwischen Daniele und Maila (Maila Dabalà) bezeichnet werden. Harmlose Geplänkel, totale Verliebtheit von Maila; aber sie habe nicht ihren eigenen Kopf, sie höre auf andere, meint Daniele. Sie stellt fest, dass die Liebelei mit ihm nicht selbstverständlich sei. Er hat andere Ziele. Das Boot ist ihm wichtig. Aber es gibt andere Jungs, die sind schneller. Sein Motor tut nicht richtig. Daniele wäre zufrieden, wenn er auch nur einen Kilometer pro Stunde schneller wäre als die anderen jungen Männer. Er möchte wohl wer sein. Dahin zu kommen, geht nicht auf graden Wegen, geht nicht ohne Diebstahl und unsaubere Geschäfte ab.

Vielleicht etwas dick symbolisch fällt eine Dalbe in der Lagune ins Wasser. Weiterer Hinweis auf Dunkles. Es kommt zum Bruch mit Maila. Daniele ist jetzt befreit zur reinen Sexlust mit irgendwelchen Frauen. Der zweite Akt.

Der dritte Akt wird der Kampf der Männer, die Wettfahrt mit dunklem Ende.

Der Epilog ist eine lange, improvisierte Fahrt mit quergestellter Kamera durch die Kanäle Venedigs, die Stadt auf der Wasseroberfläche gespiegelt, nachts. Die Boote der jungen Männer werfen blaues oder grünes Neonlicht auf ihre Umgebung. Ein bildfaszinierendes, dialogarmes Stück, das von einer verführerischen Bildwelt lebt.

Der Tod, der gehört nach Venedig, nicht erst seit Thomas Mann oder Nicolas Roeg. Es gibt Hip-Hop-Einlagen aus einem Schiff, es gibt den signifikanten Song „no me interesa“ – das interessiert mich nicht, aber auch den Song „Vivere“, leben!

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