Krim-Aufarbeitung
Kaum ist dieser Film von Maryna Er Gorbach, eine ukrainisch-türkische Koproduktion, fertig, ein Stück Aufarbeitung des Überfalls Russlands auf die Krim und Teile der Ukraine, da gewinnt der Film eine brutale Aktualität durch den Ukraine-Krieg, schmerzhafte Aktualität.
Mit meisterlicher Kinoschrift schildert die Regisseurin das Leben auf einem kleinen Weiler in der Ostukraine in der Nähe der Abschussstelle von Malaysia-Airlines-Flug 17 am 17. Juli 2014.
Hier leben die hochschwangere Irka (Oksana Cherkashyna) und ihr Mann Tolik (Sergey Shadrin); außerdem ist gerade der sonst in Kiew lebende Bruder von Irka anwesend, Yaryk (Oleg Shcherbina).
Das Haus von Irka und Tolik ist auch betroffen, Teile einer Wand und des Daches sind eingestürzt.
Krieg ist eine grauenhafte Angelegenheit, aber sie hat viele Schattierungen; genau diese schildert Maryna Er Gorbach. Steigendes Misstrauen unter den Menschen, Verdächtigungen der Kollaboration; erhöhter Alkoholkonsum; Haustiere müssen geschlachtet werden; die Frage, fliehen oder bleiben, Soldaten durchstreifen die Gegend; es gibt Bergungsarbeiten; Tote müssen weggebracht werden; die Menschen verwandeln sich; teils agieren sie wie in Trance; immer mehr Regeln eines zivilisierten Zusammenlebens werden außer Kraft gesetzt; Soldaten machen willkürliche Kontrollen, dringen in Häuser ein, verlangen Essen; die Gewehre immer griff- und schießbereit.
Nein, Krieg ist kein Zuckerschlecken, auch wenn er Momente der schieren Unendlichkeit hat, die hier bildlich besonders zur Geltung kommen durch die Weite um den Weiler herum, den dünnen Grasbewuchs, die sanfte Senke.
Maryna Er Gobrach schildert diesen Zustand, diese Zustände in bannender Kinoschrift und in gedämpften Farben, gleichzeitig mit dem dringlichen Bedürnis, diese Geschichte erzählen zu müssen; sie schildert die Vorgänge des Krieges auf diesem Weiler auf eine Art, die dokumentarisch wirkt – mit ausgezeichneten Darstellern und dieser erschreckenden Gemengelage aus Ruhe, Stille, Weite, dörrem Sonnenblumenfeld und dann wieder Explosionen und andere grauenhafte Dinge, den Zerfall des Humanen durch den Krieg.