Drii Winter (Fünf Seen Filmfestival)

Love-Story

Extensiv wie die Bewirtschaftung der Alpen erzählt Michael Koch diese etwas andere Liebesgeschichte, diejenige zwischen Anna (Michèle Brand) und Marco (Simon Wisler), das ist die Liebesgeschichte im engeren Sinne, die durch eine Hochzeit besiegelt wird. Diese findet gleich im ersten von drei Wintern, wie der Titel des Films sagt, statt.

Anna lebt in einem Dorf in den Schweizer Alpen, Sie hat Töchterchen Julia, aber der Ex ist verschwunden. Sie arbeitet in der Wirtschaft und fungiert als Briefträger.

Marco kommt nicht aus dem Dorf, er kommt aus dem Tiefland, ist ein wuchtig gebauter Mann, wenn er Pfähle für die Viehumzäunung reinhat, so braucht er wenig Schläge. Oft hat er Kopfweh. Er ist ein Mann ohne Geschichte, ein Mann mit Geheimnis, er wirkt wie autark, so wie einer der großen Felsbrocken, die anfangs im Film zu sehen sind in einer langen Einstellung.

Marco ist kein Charmeur, kein Alphamann, er ist nicht leicht zugänglich, nicht gesprächig, er sinniert oft vor sich hin. Es stellt sich heraus, dass er einen Gehirntumor hat; der wird erfolgreich operiert.

Michael Koch besetzt Originalfiguren mit den Rollen, erzeugt so eine Art Doku-Fiction in Richtung Ulrich Seidel. Es sind eindrückliche Gesichter aus der Bergwelt. Die Liebesdinge aber werden vielleicht karger beschrieben, obwohl sie auch nicht anders laufen als anderswo.

Die Liebe von Marco geht über die zu Anna hinaus. Er mag auch die Kühe. Er wird sentimental, wenn eine geschlachtet wird. Die Love-Story wird süß konterkariert durch die Liebes-Szene, die ein indisches Filmteam im Schnee dreht; auch da bezieht sich der Film auf eine Schweizer Realität, denn indische Teams drehen tatsächlich in den Schweizer Alpen.

Auch die Gesangs-Einlagen des gemischten Chores sind ein Stück Realität. Diese wird aber stilisiert in den Film eingebracht.. Der Chor wird für jedes Lied an einem schönen Ort in der Natur aufgestellt, auf einer Brücke, auf einer Wiese, vor einem Bergsee.

Die Love-Story ist eingebettet in ausgewählte Berichte aus der agrarwirtschaftlichen Realität in den Alpen, Heuernte, Begattung einer Kuh, Motorradfahren, Ausnehmen eines geschlachteten Tieres, Gespräche, die sich auf engen Kurven zwischen zwei autofahrenden Freundinnen ergeben, Tierarzt, Schlachter, das Räumen von Felsbrocken auf einer steilen Bergwiese. Aber auch die Suche eines Partners für die Freundin von Anna auf einem Dating-Portal.

Es gibt da einen Vorfall, der im Umfeld von Kindsmissbrauch anzusiedeln ist; obwohl die Handlung nicht eindeutig geklärt ist; das Mädchen erzählt ganz offen und nicht weiter beeindruckt, dass Papa warm gehabt hätte und dass sein Schniegel rausgeschaut habe und immer größer geworden sei; aber kein Zeichen von Verstörung beim Mädchen; es fühlt sich lediglich genervt, dass die Erwachsenen dieser Geschichte eine solche Bedeutung beimessen und sie sie immer wieder erzählen soll. Die Macht der Gerüchte und der furchtbare Einfluss auf das Leben. Das verändert die Liebesgeschichte.

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