Warten auf Bojangles

Glücklich sein

ist wohl das Ziel eines jeden Lebens. Das kann einem aber ganz schön vermiest werden durch diverse Realitäten, wie Mahnungen, Rechnungen, Forderungen von dritter Seite. Wer sich dem Diktat dieser Realität von Broterwerb, Mietzahlung, Alterssicherung beugt, der kann bezüglich Glücklichsein relativ leer ausgehen.

Der Film von Régis Roinsard, der mit Romain Compingt auch das Drehbuch nach dem Roman von Olivier Bourdeaut geschrieben hat, sieht sich als Votum gegen das Diktat dieser bestimmten Realität, über die nur mit Luftschlössern, Träumereien hinwegzukommen ist, mit Identitäswechseln und Illusionen, die allerdings just an der verdrängten Realität scheitern werden,

1958 trifft sich an der Riviera eine feine Gesellschaft. Georges Fouquet (Romain Duris) ist zwar nicht geladen, zieht aber mit seinen abenteuerlichen Geschichten alle Aufmerksamkeit auf sich; er versteckt sein Schwindlertum gar nicht erst, von der runänischen Abstammung von Graf Dracula über eine Begegnung mit Josephine Baker in Paris nach dem Krieg fällt ihm locker vieles ein. Wie er Camille (Virignie Efira) in Begleitung des dicken Charles Ordure (Grégory Gadebois), der den Begriff Müll schon im Namen trägt, erblickt, ist die Amour Fou entzündet.

Georges und Camille sind Schwindler auf ähnlichem Niveau, Seelenverwandte, Menschen, anfällig für Traumschlösser und nicht für die Realität des seriösen Geschäfts- und Berufslebens. Die beiden heiraten spontan.

Régis Roinsard erzählt das mit der nötigen Schnoddrigkeit und mit ungebremstem Spaß an der Schwindlergeschichte, schreckt nicht vor den nötigen Übertreibungen zurück, lässt die Fantasien sprießen.

Zehn Jahre später ist Sohn Gary (Solan Machado Graner), genannt nach dem berühmten Filmschauspieler, ein Schüler. Von Schulgang wird wenig gezeigt. Er hat die DNA seiner Eltern aufgesaugt.. Die Familie lebt mit einem reiher-ähnlichen Vogel zusammen, der unentwegt mit Stelzengang Körnchen vom Boden oder aus Konservendosen aufpickt, er heißt: Madame Redundanz, Madame Überfluss gewissermaßen; man lebt vornehm, lädt Gäste ein.

Die ungeöffneten Briefe häufen sich zu einem Berg neben der Eingangstür. Der Gerichtsvollzieher wird abgewimmelt. Aber die diktatorische, äußere Realität meldet sich, wie Camille diesen unerledigten Postberg anzündet. Sie landet in der Psychiatrie. Ein höchst unerfreuliche Realität mit Zwangsbädern und kaltem Wasserstrahl; es ist 1967, die Revolution in der Psychiatrie bahnt sich erst an.

Die Flucht aus dieser Realität heraus in neue Traumwelten gelingt vorerst und sorgt für eine kräftige Zugabe eleganten Lebens in Spanien. Aber die andere Realität nagt. Nicht immer funktioniert allerdings das Survival-Kit des Traumschlosses und der Lebenslüge für ein Dauerglücklichsein.

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