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Trauma Steuererklärung

Evelyn Wang (Michelle Yeoh) betreibt mit ihrem Mann Waymond (Ke Huy Quan) einen Münz-Waschsalon. Ihre Tochter Joy (Stephanie Hsu) wird im Laufe des Films im Waschsalon mit ihrer Freundin auftauchen und diese vorstellen.

Im Laden gibt es die Stammkundin Big Nose (Jenny Slate) oder den bärtigen Rick (Biff Wiff). Evelyn ist einigermaßen überfordert mit ihrem Job. Ständig gibt es Probleme, Wäsche ist nicht zu finden, Kunden rufen nach den Chefs.

Evelyn ist im Büro damit beschäftigt, Belege für die Steuer zusammenzustellen, denn sie will diese mit ihrem Mann beim Steueramt einreichen. Dort wird sie es mit Deirdre Beaubeirdra (Jamie Lee Curtis) zu tun bekommen, die mit fettem Schreiber dicke, schwarze Kringel auf ihre Belege malt, die aussehen wie Bagels oder wie das Auge einer Waschmaschine. Die werden später noch ihr Eigenleben entwickeln.

So hört sich die Story allerdings höchst mittelmäßig an.

Wird sie aber garantiert nicht. Nicht nur, dass bereits die Expositionssequenz mit irrem Tempo arbeitet und den Stress im und um den Salon bestens nachvollziehbar darstellt. Schon auf dem Weg zum Steueramt melden sich zwischen Evelyn und ihrem Mann mentale Querschüsse, die sich zu einem Steuer-Trauma entwickeln werden, das in Multiversen ausartet, und das reicht lange nicht.

Der rasante, verrückte Film verschont uns nicht vor den zwischenmenschlichen Traumata (auf das kommt, wer vielleicht grad vorher einen Film über Freud in Selbstzeugnissen gesehen hat), die jedem menschlichen Verhältnis immanent sind, von Tochter zu Mutter, von Mann zu Frau und umgekehrt, von Vater zu Tochter und von Tochter zu Vater; ja auch die Kunden können sich der Verarbeitung in Traumata-Phantasien nicht entziehen.

Der Film fesselt, weil er sich auf sein kleines Personal beschränkt, dieses in den unterschiedlichsten Wahn-, Trance- oder Trauma-sequenzen auftreten lässt, oft mit einem nicht zu bremsenden Fun am Kung Fu und immer wieder fragt man sich, wo holen die Autoren und Regisseure Dan Kwan und Daniel Scheinert, die Daniels, das alles her.

Das Eigenleben, das die Bagelreligion entwickelt. Die Geschichte mit den Augen, die plötzlich überall auftachen und am Groteskesten auf zwei Steinen am oberen Felsrand eines großen Canyons, absurd, absurd.

Alles, was im Realalltag Beziehung ist, wird in den wilden Fantasien auf äußerste Brüchigkeit geprüft, jeglichem Vertrauen jeder Boden entzogen. Der Film ist wie ein riesiger, doppelter Gehirnwaschgang eines unerschöplichen Streams-of-Consciousness of Life als eines Waschganges, der ans totale Chaos oder an ein Irrenhaus erinnert.

Von den Daniels stammt auch der ziemlich abgedrehte Swiss Army Man.

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