Red Rocket

Das amerikanische Kino suhlt sich in der Darstellung des Prekären.

Und es kann das auch. Das hat es schon mit Nomadland gezeigt. Das macht es schnell preisverdächtig (Nomadland hat laut IMBd aktuell 3 Oscars, 252 Gewinne, 156 Nominierungen).

Bei IMBd sind drei Tage vor dem deutschen Kinostart von Red Rocket bereits zu lesen: Auszeichnungen: 11 Gewinne und 33 Nominierungen. Sean Baker, der auch hier wieder mit Chris Bergoch das Drehbuch geschrieben hat, hat sein diesbezügliches Können schon bewiesen mit The Florida Project, einer atemberaubenden Studie aus dem Transenmilieu (1 Oscarnominierung, 66 Gewinne, 133 Nominierungen) und mit Tangerine L. A. einem ernüchternden Blick auf die Schmuddelränder von Disneyland (25 Gewinne, 43 Nominierungen).

Beim vorliegenden Film kommt es mir allerdings vor, als stecke da, durch Erfahrung mit dem Prekären glücklich gemacht, Kalkül dahinter.

Es muss ein Schmuddelthema her, es muss ein Thema her, was die Kehrseite von Amerika aufzeigt, das kommt immer gut, besonders bei den kritischen Intellektuellen. Und, richtig, der Slogan des vorherigen Präsidenten ‚make Amerca great again‘ muss paraphrasierend vorkommen, der einmal auf einem zerfledderten Banner über einer Straße flattert; der Film spielt 2016 zur Zeit des Präsidentschaftswahlkampfes.

Mikey, bekannt als Pornostar Mikey Saber (Simon Rex), kehrt aus Kalifornien und wohl auch aus dem Gefängnis zurück nach Texas City.

Es ist grandios, wie diese Stadt hier dargestellt wird, bestehend nur aus lärmenden, rauchenden, feuerspeienden Ölindustrien, mit viel Platz und wenigen, bescheidenen Flachbauten drauf und der Donut-Bude ‚Donut Hole‘ und dann noch etwas Meer und Abendidylle.

Mikey sieht fertig aus, hat überall Flecken von einer Schlägerei am Oberkörper, er macht Radau vor einer bescheidenen Behausung. Er pöbelt so lange, bis seine Ex-Frau, nein, die sind sogar noch verheiratet, Lexi (Bree Elrod), mit sich reden lässt, sie, die ihn hier nicht mehr sehen will und auch deren Mutter Lil (Brenda Deiss) wird einverstanden sein, dass der abgebrannte Kerl vorerst bei ihnen unterkommt; er schwört, mitzuhelfen.

Mikey nimmt alte Beziehungen wieder auf zu Leondrina (Judy Hill) mit ihrer involvierten Tochter June (Brittney Rodriguez), fängt an, Drogen zu verticken, kommt für die Miete auf.

Nicht lange, und die Story fokussiert sich ganz auf die Beziehung zu Strawberry (Suzanna Son), einer schnuckeligen Verkäuferin im Donut-Shop, die in wenigen Wochen 18 wird und die vom ersten Moment an anzügliche Texte über Donot-Glasur und -Füllung im erotischen Kontext zu verstehen scheint.

Eine Nebengeschichte mit keinem schönen Ausgang ist die Beziehung zum Nachbarn Lonnie (Ethan Darbone), auch er eine prototypische amerikanische Provinzgestalt, einer der sich mit falschen Army-Einsatzjacken schmückt.

So gekonnt und konsequent hier die prekären Lebensverhältnisse dargestellt sind, bleibt mir der Eindruck der stärkere, dass diese lediglich ad-hoch erfunden worden sind; vielleicht tatsächlich, weil Prekär sells? Und Porno sowieso.

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