Wo in Paris die Sonne aufgeht – Les Olympiades, Paris 13e

Erst vögeln und dann schauen.

Das ewige Spiel mit der Liebe – wie Olympiade, wie der französische Titel heißt: die Olympiaden in Paris im 13. Bezirk.

Das ist ein elementares Thema der Franzosen, die Liebe, die Liebe als Spiel in Literatur, Malerei und erst recht im Kino. Das französische Kino ist geradezu ein Liebeskino in allen Varianten und Ausformungen und mit der ewig unabänderlichen Frage nach der Differenz zwischen Spaß und Beziehung und dagegen Mussets, man tändle nicht mit der Liebe.

Die aparte Asiatin Emilie (Lucie Zhang) arbeitet in einem Telefon-Callcenter; sie hat eine Wohnung, in der sie ein Zimmer an eine Frau vermieten will. Camille Germain (Makita Samba) ist allerdings ein Mann, ein aparter Afro-Franzose, der ein Lehrer war, ein Studium abgebrochen hat und bei Immobilien eines Freundes aushilft.

Immobilien sind Dreh- und Angelpunkte für Dates. Emilie ist erst irritiert, erliegt aber sogleich dem Charme von Camille. Die Franzosen gehen es direkt und und unverbrämt an nach Emilies Motto „erste vögeln und dann schauen“.

So funktioniert das verabredeterweise auch mit dem neuen Untermieter unter der strikten gegenseitigen Abmachung, dass keine Beziehung draus werden soll. Nach wenigen Tagen will sich Camille einen Abend von ihr frei nehmen. Am nächsten Abend macht er Party. Dann vögelt er in seinem Zimmer seine Stellvertreterin Stephanie (Oceane Cairaty).

Für Emilie wird’s kritisch. Er hat keine Lust auf Beziehungsknatsch und zieht aus. Im zweiten Handlungsstrang kommt Nora Ligier (Noémie Merlant) frisch aus Bordeaux an die Sorbonne zum Studieren, Jura. Bei der Studentenparty zieht sie sich eine blonde Perücke an und wird von Studenten mit der Sex-Chatterin Amber Sweet (Jehnny Beth) verwechselt. Sie erlebt einen Shitstorm. Sie hat zwar, wie später zu erfahren ist, auch schon ihre Sexerfahrung.

Nora sucht einen Job in einem Immobilienbüro, trifft auf Camille, hier kommt es zuallererst zur Verabredung, dass Job und Privat streng zu trennen seien. Das Schöne an solchen Verabredungen wohl im Leben als auch im Film ist, dass sie offenbar dazu da sind, gebrochen zu werden. Als nächste mögliche Beziehung entwickelt sich der Kontakt zu Amber, den Nora sucht.

Jaques Audiard (Der Geschmack von Rost und Knochen, Dämonen und Wunder, The Sisters Brothers), der mit Léa Mysius in Zusammenarbeit mit Nicolas Livecchi das Drehbuch geschrieben hat, hat in erotischem Schwarz-Weiß vielleicht den französischen Liebesfilm des Jahres gedreht und ihn im Gegensatz zu Rohmer von der Nouvelle Vague im Milieu der gebildeten Banlieu angesiedelt; denn an der prinzipiellen Liebesproblematik ändert sich über die Zeiten wohl gar nichts, ob Zentrum oder Peripherie, ob weiße Franzosen oder Zuwanderer; das ist die schöne Kontinuität des französischen Kinos und unerschöpflich ist das Liebesproblem in unendlich vielen Geschichten immer neu und doch immer gleich zu erzählen.

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