Warum ich Euch nicht in die Augen schauen kann

Autismus verstehen

Was einem Autisten passieren kann, wenn Autismus nicht verstanden wird, ist nicht schön, geht von Auslachen, aller Arten Diskriminierung bis Wohnungsverlust der Eltern oder Aussetzen des Kindes, Bezeichnung der Mutter als Hexe.

Ganz so schlimm kommt es bei den ausgezeichnet ausgewählten Protagonisten im Film von Jerry Rothwell nicht. Sie haben Eltern, die sich liebevoll um sie kümmern, die versuchen, mit diesem Phänomen klar zu kommen; die aber auch sich Sorgen machen um die Zukunft; denn selbständig leben können ihre Kinder nicht.

Es handelt sich um Autisten, die sich nicht über artikulierte Sprache mitteilen können. Allerdings haben manche das Buchstabieren erlernt, sie zeigen mit dem Finger auf einen Buchstaben auf einer Buchstabentafel und die Reihenfolge ergibt die Worte, ein Verfahren, was vom Gegenüber Geduld erfordert.

Der Film verwendet dafür den Untertiteltrick, indem die einzelnen Buchstaben aneinandergehängt werden, aber vorerst ohne Zwischenabstände, die fügt er erst am Schluss bei.

Den Schlüssel zum Verständnis bietet das Buch eines 13-jährigen Teenagers aus Japan, dessen Titel dem Filmtitel entspricht, Naoki Higashida. Texte daraus werden als Voice-Over eingelesen, bildlich gibt es dazu Improvisationen mit einem Buben, der sich verwundert in der Welt bewegt.

Higashida beschreibt seine Ängste, die manchmal wie ein Tsunami über ihn hereinbrechen und die Schreiben auslösen können oder körperliche Verrenkungen. Er schreibt über die Faszination durch das Chaos auf der Welt, durch die Details, die er zunächst nicht einordnen kann, Oberflächenstrukturen, Eyecatcher, Dinge und Bilder, die eine enorme Anziehung auf ihn ausüben; ja die Obsession damit; ‚Meltdowns‘ und auch das Leiden darunter, es nicht ausdrücken, nicht mitteilen zu können genau so wie das Gefühl, den Mitmenschen zur Last zu fallen.

Weil die Autisten die Welt anders wahrnehmen, tun sie andere Dinge, die dem rational-sozialisierten Menschen fremd und unerklärlich bleiben. Amrit aus Indien verarbeitet ihre Eindrücke mit Zeichnungen, die sind so gut, dass eine Ausstellung organisiert wird. Ben und Emma aus den USA teilen sich über das Buchstabenbrett mit. Sie werden demnächst in ein Haus für Autisten einziehen. Von Jobb aus Großbritannien, der Sätze sagen kann und diese auch immer und immer wieder wiederholt, gibt es wunderbare Super-8-Filme aus seiner Kindheit. Wie ein Dialog kaum möglich ist, zeigt die Szene, in der Vater Pizza holen gegangen ist; aber Jobb wiederholt immer und immer wieder, es gibt keine Pizza, es gibt keine Pizza; bis der Vater mit der Pizza auftaucht. Durch einen Tunnel zu gehen, ist für ihn reines Vergnügen. Jestina aus Freetown, Sierra Leone, wird von der Mutter in eine Schule mitgenommen, speziell für Autisten. Bei ihr ist das Motorische eines der wichtigsten Ausdrucksmittel, ihre Bewegungen sind Expression pur.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert