Trouble Every Day

Der sinnliche Moment,

der passiert überall, kann überall passieren; den interessiert nicht die Hochzeitskonvention, nicht die Hygienesituation, nicht die Romantikvorschrift, nicht die Hierarchie. Er passiert, er kann alle Grenzen überschreiten, auch die zum Leben.

Es ist ein tiefes Geheimnis im Menschen, das nicht leicht an den Tag kommt. Es ist diese Frage des Liebenden oder der Liebenden ihrem Gegenüber in die Augen schauend, den Körper, die Haut spürend und berührend, wer ist das wirklich, welche Abgründe stecken in dieser Person.

Der Film, den Claire Denis 2001 gedreht hat und zu welchem sie mit Jean-Pol Fargeau auch das Drehbuch geschrieben hat, ist aufregend wie vor 20 Jahren. Es ist die Montage, es sind dies die Dimensionen von Liebe und von Gewalt.

Der LKW, der einen riesigen Überseecontainer transportiert auf der Landstraße. Die Frau am Wegrand, aufreizend, der LKW leinwandfüllend, sein starker Motor, noch lange brummend, die Frau, Coré (Béatrice Dalle) mit großen Augen, leinwandfüllend.

Hier stoßen Gewalten auf einander, Begehren, Anziehung, Attraktion, die durch nichts zu stoppen sind. Später taucht Léo (Alex Descas) auf, versorgt die Verletzte liebevoll, sperrt sie in seinem gespensterhaft aussehenden Haus ein. Der bürgerliche Rahmen darf nicht fehlen.

Ein Hochzeitspaar hebt von Denver ab, June (Tricia Vessey) und Shane (Vincent Gallo); sie räsonnieren über die geometrischen Muster, die die Lichter des Flughafens von Detroit abgeben. Sieht nach Ordnung, Ordentlichkeit, Organisiertheit, Überraschungsfreiheit aus: eine Hochzeit, die alles in Ordnung bringt, die Sicherheit gibt, Verlässlichkeit vorgaukelt.

Paris ist das Traumziel. Hier kommen die Welten von Léo und Coré in Kontakt mit der von Shane und June. Es geht um Gehirnforschung. Shane kennt Léo aus Französisch Guinea. Shane hat June verschwiegen, dass er in Paris noch einen Termin wahrnehmen möchte. Aber Léo ist verschwunden. Die Suche nach ihm ist eine der Aktivitäten, die Shane nebst den Flitterwochen durchführen möchte. Ungeplant kommt ihm das Zimmermädchen Christelle (Florence Loiret-Caille) vor Augen, wie es halt so ist im Hotel. Der sinnliche Moment kommt und geht, er kennt keine Grenzen, er kennt kein Limit. Eine Heirat kann nicht genügend Fessel sein. Es gibt keine Garantien. Ein Mensch ohne Abgründe ist eindimensional. Dafür überlassen wir die Zuständigkeit dem deutschen Bidet-Kino.

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