Goodbye and Hello – Der Mann, der seine Haut verkaufte

Absurdes Stück Kunst,
sehr diskutabel,

das seine Energie aus der unfasslichen Synchronizität von Terrorherrschaft und Folter am einen Ort auf dieser Welt und einem entfesselten Kunstmarkt an einem anderen Ort auf dieser selben Welt bezieht.

Die verbindende Figur zwischen diesen parallelen Welten im Film von Kaouther Ben Hania ist der Syrer Sam (Yaha Mahayni). Wegen einer ungezügelten Liebesszene mit Abeer (Dea Liane) im öffentlichen Personen-Nahverkehr, bei welcher er seiner Geliebten einen Heiratsantrag mit Schlagwörtern wie Revolution und Freiheit macht, kommt er ins Gefängnis.

Es ist bereits die Zeit des Bürgerkrieges in Syrien, wie es in den Gefängnissen zugeht, war eben wieder zu erfahren beim ersten Prozess gegen einen syrischen Gefängniswärter in Deutschland nach dem Weltrechtsprinzip.

Sam kann in den Libanon fliehen. Dort landet er im Flüchtlingslager. Elend. Derweil hat seine Geliebte einen Syrer aus dem diplomatischen Corps geheiratet, der in der syrischen Vertretung in Brüssel arbeitet.

Das Konstrukt von Kaouther Ben Hanias lässt Sam in Beirut sich in Vernissagen schleichen, um sich an den Büffets zu laben; Hungers wegen. Dabei entdeckt ihn der Weltkünstler Jeffrey Godefroi (Koen De Bouw), ein Künstler von der Art, den der gehypte Kunstmarkt noch mehr hypt, indem alles, was er anrührt, zu Gold wird; seine Kunstwerke sind die teuersten.

Godefroi will das Thema Flüchtling und Bürgerkrieg in Syrien als Kunstthese thematisieren, indem er auf den Rücken von Sam ein Schengen-Visum tätowieren will. Im Gegenzug erhält Sam Geld, Reisefreiheit, Visen, wenn er sich mit der Tätowierung als Ausstellungsstück hergibt. Anhand von Sam wird diskutiert, auch von Menschenrechtsgruppen, wer hier wen ausbeutet.

Signalhaft hat Sam vorher schon im Libanon in einer Hühnerfabrik Kücken getötet. Als Melo kommt in Brüssel die Beziehung zu Abeer wieder in Gang.

Kaouther Ben Hanias inszeniert dieses Konstrukt selbst fast wie eine Kunstinstallation, kunstvoll, fotografisch.

Sami hat generell diese ausdruckslose Opfermiene, eine gewisse Ähnlichkeit zum Großkünstler ist unübersehbar. Dialektisches Kino wäre vielleicht ein Begriff, da es nicht um die Nachverfolgung von Konflikten geht, sondern um das Aufzeigen krasser Gegensätze und auch von Ungerechtigkeit in unserer Welt. Warum lebt Sam plötzlich im Luxus und in Freiheit, während seine Verwandten in Syrien vom Krieg gezeichnet werden oder seine Mitflüchtlinge im Libanon weiter im Elend perspektivlos ihre Tage verbringen?

Der Film beginnt im Syrien von 2011, also zur Zeit der syrischen Revolution und die Ausrufe in der S-Bahn vom Anfang waren scherzhaft gemeint. Der Film referiert auf das Mephistopheles-Thema, indem Sami ja seine Haut für den Kunstmarkt verkauft. Aber auch Pygmalion wird von Jeffrey leichter Zunge herbeizitiert, da Sami sich nicht glatt in seine Rolle als Kunstwerk einfügen lässt.

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