Mit Rassisten ist nicht reden
oder: Das Horrorhaus
Jochen Klepper war ein christlicher Autor, der mit einer Jüdin verheiratet war zur Nazizeit in Deutschland. Er nahm sich mit seiner Frau und Tochter das Leben, um der Deportation durch die Nazis zuvorzukommen. Er hat Tagebücher hinterlassen.
Benjamin Martins hat auch bereits einen umfangreichen Wikipedia-Eintrag. Schließlich dürfte er ein Internet-Native sein (Jahrgang 85), also etwa zweite Nachkriegsgeneration.
Martins hat aus nachgelassenen Tagebuchtexten eine hochkünstlerisch filmische Installation zur Erinnerung und Vergegenwärtigung von Klepper geschaffen in gediegenem Super-8-Format.
Drei Schauspieler (Christoph Kaiser als Jochen Klepper, Beate Krist, als dessen Frau und Sarah Palarczyk als deren Tochter) sprechen wie bei einer Lesung, allerdings szenisch, diese Texte.
Dem Hauptteil des Filmes geht eine Szene bei Adolf Eichmann voraus. Hier möchte Klepper, der ein bekannter und von den Nazis geschätzter Autor war, die Ausreiseerlaubnis für seine Frau und seine Tochter nach Schweden erhalten. Eichmann erklärt ihm, weshalb das nicht gehe und dass er besser die Scheidung beantrage, bevor der Staat das verfüge. Hier schon verwendet Martins verfremdende Effekte, wie Naziuniformen an einer Wäscheleine mit Fotografien an Stelle der Köpfe, auch werden die gelegentlich computeranimiert.
Die zentrale Szene des Filmes spielt im einfachen, aber hochmalerisch ausgestatteten Wohnzimmer der Kleppers. Es wird bei Martins zum Horrorraum, dessen Wände zusehends die Familie in die Klemme nehmen, es gibt Horroreinsprengsel von außen, über Fenster, fingierte Dialoge mit einer Horrormaskenfigur, Horrorfilmtöne, auch hier fangen Porträtfotos an zu singen.
Eine Nachbarsfamilie wird abgeholt. Schnell kritzelt Klepper einen anderen Namen an seine Wohnungstür. Sie wissen es und warten nur darauf, abgeholt zu werden und sie haben längst entschieden, dass nur noch der gemeinsame Tod dem vorbeugen kann. Darauf läuft die Szene hinaus.
Die Texte werden literarisch gesprochen und nicht TV-alltäglich, es herrscht eine feierlich-steife Stimmung, es gibt viel Emotion, viel Bedeutungshaftigkeit, als wolle die Regie das ganze Grauen des Holocaust hier schon ahnungsvoll darstellen.
Es öffnet sich eine Tür und dahinter gibt es den Blick auf einen Judentransport, die Leute dort machen Platz für die Kleppers. Es gibt Fratzen, Horroreinbildungen und – einschübe, wohlgezielt und knapp. Das Drama nimmt seinen Lauf. Der Nachbar mit dem Hund kann seine Gefühle nicht mehr im Zaum halten.
Es ist ein Film voller Liebe zum Bild und voller Bizarrerie zum Kontext. Man versteht, hier versuchen Generationen weit weg von der Nazizeit, deren Grauen kinematographisch darzustellen, ihre eigene Memento-Sprache zu finden.