A Royal Scare-Crow,
eine königliche Vogelscheuche ist das Symbol, was Regisseur Pablo Larraín (Neruda, El Club, Ema, No, Post Mortem) nach dem Drehbuch von Steven Knight diesem Film über Lady Di als farcehaften Stempel aufdrückt. Damit meint er nicht Diana, sensationell verkörpert von Kristen Stewart. Damit meint er allenfalls das Bild, was Her Britannic Majesty the Queens Family von ihr hat. Sie benimmt sich ja auch so.
Dem Film vorangestellt ist der Kommentar, dass es sich um eine Fabel nach einer wahren Tragödie handelt. Jedem selbst benommen, die Vogelscheuche als ein Fabeltier zu sehen – oder Menschen als Vogelscheuchen.
Was sich mit Kostüm, Maske und exquisiter Schauspieler in genialer Regie heute alles machen lässt, ist erstaunlich: ohne dass auch nur einer der Darsteller imitierte, erwecken sie allesamt und allen voran selbstverständlich Kristen Stewart, die Vorstellung der echten Royals zumindest als die Klatschspaltenfiguren, als die sie allgegenwärtig sind.
Das gilt genau so für Prinz Charles (Jack Farthing), für die Queen (Stella Gonet), Camilla Parker Bowles (Emma Darwall-Smith), um die bekanntesten Figuren aus der Regenbogenpresse anzuführen; aber verblüffend ist auch der Cast der Hofschranzen, diese Gesichter, diese Haltungen!, allen voran Major Alistar Gregory (Timothy Spall), den die Extravaganzen der Prinzessin an den Rand der Verzweiflung bringen dürften, wovon er sich allerdings nichts anmerken lässt.
Steven Knight dampft die Handlung auf wenige Weihnachtstage auf Schloss Sandringham ein. Es gibt überwiegend Innenaufnahmen. Prunkvolle Räume, meist in Deutschland gedreht. Die Tage der königlichen Familie sind bestimmt von strengem Protokoll, über das Gregory pedantisch wacht.
Die einzige menschlich ansprechbare Seele für Diana ist ihre Gouvernante Maggie (Sally Hawkins). Die bilden ein herzliches Duo, was in der kalten Atmosphäre Wärme verbreitet. Aber auch das soll nicht sein. Maggie wird aus dem Schloss wegbeordert.
Diana eckt dadurch nur noch mehr an. Sie zieht nicht an, was ihr vorgeschrieben ist, sie will sich selber anziehen, braucht keine Hilfe dazu, sie kommt zu spät, sie reißt sich die Perlenkette vom Hals, weil Charles diese schon Camilla geschenkt hatte.
Subtil und in Details entwirft der Film den eisig-eisernen Käfig, in dem Diana gefangen ist. Sie will ausbüxen, sie will das Gut nebenan besuchen, in dem sie aufgewachsen ist. Sie dreht fast durch, verletzt sich selbst. Fürs Familienfoto zieht sie ein unpassendes Kleid an.
Der Film schafft es, diese klaustrophobische königliche Atmosphäre über den Kinosaal auszubreiten. Insofern ist es kein befreiendes Kino. Und es ist mehr als nur Klatschspaltenkino, dadurch, dass es das Märchenhafte des königlichen Daseins hart konterkariert mit der Vogelscheuche, die er für den Zuschauer anfangs des Filmes etabliert. Und so Folie ist für die Sicht der königlichen Familie auf das ungeliebte Familienmitglied, das doch dem Hof zwei wunderbare Knaben geschenkt hat, Harry (Freddie Spry) und William (Jack Nielen), die noch in sorglosem Vor- oder Frühpubertätsalter sind.
Der ältere soll an dem Wochende den ersten Fasan schießen. Inhaltlich ist das Buch angelehnt an ‚Anne Boleyn‘ (die in Dianas Fantasie ihr erscheint – Arny Manson), ‚Life & Death of a Martyr“.
Dem Zuschauer steht es selbstverständlich frei, das Vogelscheuchenbild genau so auf die königliche Familie zu projizieren.
Der Drall, den Regisseur Pablo Larrain der Angelegenheit gibt, ist bissig, wie schon in Ema oder The Club arbeitet er haarscharf Perversionen menschlicher Existenz heraus, man könnte auch kommentieren: also das ist kein Humanismus, kein humanistisches Menschenbild, was sich je nachdem die Kirche, die Kunst oder die königliche Familie antut; resp. es ist ein humanistische Kino, was die Differenz zum Humanismus so glasklar herausarbeitet.